Entfuehrung nach Gretna Green
Stimme und wünschte sich, er könnte ihr etwas von ihrer Verlegenheit nehmen.
„Es tut mir leid, Gregor. Das hier ...“ Mit einer schwachen Handbewegung deutete sie auf die Stelle, wo sie eben noch eng umschlungen gestanden hatten. „Es hätte niemals geschehen dürfen.“
„Nein, das hätte es nicht, aber es ist passiert.“ Für Sekunden sah er ihr in die Augen. „Und ich kann nicht sagen, dass ich es bereue.“
„Ich glaube, ich auch nicht. Aber es wäre dumm, es fortzuführen“, erklärte sie mit leiser Stimme und brachte ein fast überzeugendes Lächeln zustande.
Sie hatte recht, was die Sache auch nicht einfacher machte. Verdammt noch mal, wie hatten die Dinge so aus dem Ruder laufen können? Er verlor niemals die Kontrolle.
Als er Venetia wieder in die Augen sah, las er in den grauen
Tiefen eine Frage, und er hörte sich selbst in barschem Ton sagen: „Du hast recht. Es wird nicht wieder geschehen. Niemals wieder. Wir sind Freunde, nicht mehr. “
Etwas flackerte in ihren Augen auf. Enttäuschung? Das war jedenfalls das Gefühl, das sich schwer wie ein Mühlstein auf seine Brust gelegt hatte und ihn nun beherrschte.
Plötzlich erschien ihm alles furchtbar unfair. Es war unfair, dass Ravenscroft ihrer beider Leben derart durcheinandergebracht hatte; unfair, dass sie wegen Gregors eigenem, unbeherrschtem Temperament jetzt hier festsaßen; und verdammt unfair, dass eine Handvoll weiterer Menschen mit ihnen beiden zusammen eingeschneit waren und ihnen auf die Nerven gingen. All der Ärger, den er seit dem Moment in sich trug, in dem er erfahren hatte, dass Venetia verschwunden war, verdichtete sich zu einer großen Welle brodelnden Zorns, den er kaum beherrschen konnte. „Wir müssen so bald wie möglich nach London zurückkehren.“
„Ja. Natürlich. Werden wir heute noch fahren können?“ „Nein. Aber wenn es weiterhin so warm bleibt, könnten wir es vielleicht morgen schaffen.“ Er streifte sie mit seinem Blick und fügte hinzu: „Wenn wir zurückkommen, könnten sich die Dinge für dich geändert haben,Venetia.“
„Ich weiß“, erwiderte sie ruhig. „Ich weiß, dass Papa in Sorge um mich war, und weil er seine Gefühle nicht für sich behalten kann, könnte er etwas zu den falschen Leuten gesagt haben.“ „Ich habe Dougal aufgetragen, dafür zu sorgen, dass er nichts sagt, aber ... “ Er zuckte die Achseln. „Das spielt ohnehin keine Rolle mehr, sobald Higganbotham die Stadt erreicht, denn er wird dich ganz sicher erkennen. Im Unterschied zu Mrs. Bloom sieht der Squire hervorragend“, stellte Gregor fest und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Bis wir abreisen können, musst du darauf achten, so wenig Zeit wie möglich mit den anderen Gästen zu verbringen, Venetia. Je weniger du mit ihnen sprichst, umso besser. Du hast eine Tendenz, bemerkenswerte Dinge zu tun und zu sagen.“
Skeptisch sah sie ihn von der Seite an. „Ich kann nicht versprechen, mich ständig von den anderen Menschen im Gasthaus fernzuhalten.“
„Das musst du aber tun. Dein guter Ruf steht auf dem Spiel. “
„Blödsinn“, fuhr sie ihn mit blitzenden Augen an. „Es ist ohnehin längst zu spät; der Squire wird mich auf jeden Fall erkennen. Außerdem gibt es einige Dinge, die ich auf jeden Fall tun muss, um ...“ Als sie Gregors Blick auffing, stockte sie und presste die Lippen aufeinander.
„Um was zu erreichen?“
Das Kinn herausfordernd vorgestreckt, zuckte Venetia die Achseln.
„Venetia, du musst damit aufhören, dich in das Leben anderer Leute einzumischen. Lass Ravenscroft in Ruhe und hör auf, ihn dazu zu ermutigen, sich Miss Platt gegenüber zum Narren zu machen.“
„Er ist nur dabei behilflich, ihr mehr Selbstvertrauen zu geben.“
„Er gibt den Hanswurst, nicht mehr und nicht weniger. Ebenso wie er es getan hat, als er dich entführte und all diesen Blödsinn darüber erzählte, dass er fliehen und mit dir in einer Hütte leben möchte. Lächerlich!“
Sie legte den Kopf auf die Seite und betrachtete ihn ernst unter gesenkten Lidern hervor, als sei sie damit beschäftigt, über jedes seiner Worte nachzudenken. „Warst du jemals verliebt, Gregor?“
„Nein, so dumm war ich nie.“
„Vielleicht ist es genau das, was nicht mit dir stimmt“, stellte Venetia in schroffem Ton fest. „Du bist in deinem Leben so wenig von lästigen Gefühlen irritiert worden, dass du kein Verständnis für die Menschen in deiner Umgebung aufbringen kannst, die Gefühle haben.“
Gregors Mund
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