Entfuehrung nach Gretna Green
gehen?“
„Nein, nein! Es geht mir gut. Ich dachte nur über den ganzen Schlamassel nach, in den wir hineingeraten sind.“ Venetia sah hinunter auf seine behandschuhte Hand, die groß und wohl-geformt war. Sie hatte ihm schon zahlreiche Teetassen in diese Hand gedrückt und hatte sich daran festgehalten, wenn sie in Kutschen ein- oder aus Kutschen ausgestiegen war. Doch niemals zuvor hatte sie diese Hände bewusst wahrgenommen.
Heute erschienen sie ihr plötzlich so ... männlich. So verführerisch. Die Hitze seiner Haut, die sie durch die Handschuhe spürte, schien sie zu versengen, und das Blut rauschte viel schneller als gewöhnlich durch ihre Adern, nur weil seine Finger ihre hielten. Würde sein Kuss sie nun, da sie nicht so müde und so erschöpft war, ebenso tief berühren? Ganz sicher war ihre heftige Reaktion am vergangenen Abend nur darauf zurückzuführen ...
„Venetia!“
Seine Stimme erschien ihr voller und tiefer, als sie sie jemals zuvor gehört hatte; der weiche Klang brachte ihre Haut auf eine höchst beunruhigende Weise zum Kribbeln. Sie sah ihm in die Augen. Ihr musste irgendetwas einfallen, was sie sagen konnte, um den Bann zu brechen, und um sich selbst davon abzuhalten, sich ihm immer weiter entgegenzuneigen, in der Hoffnung, noch einen Kuss wie den zu spüren, den sie einmal genossen hatte. Sie musste damit aufzuhören, sich zu fragen, ob ein weiterer Kuss ebenso wunderbar schmecken und ob ihr Körper ebenso heftig darauf reagieren würde.
Ihre Hände zitterten, ihre Knie waren weich, und das alles nur, weil sie dauernd an diese Umarmung denken musste. Himmel, sie konnte einfach nicht so weitermachen! Und doch kämpfte sie auf verlorenem Posten. Denn mehr als alles andere wollte sie, dass er sie noch einmal küsste. Sie wollte ihn schmecken und von ihm berührt werden, wollte, dass er sie an sich presste, sie nahm ...
Sein Blick verdunkelte sich. „Verdammt, sieh mich nicht so an!“
Sie versuchte zu schlucken, aber es wollte ihr nicht gelingen. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“ Doch sie wusste nur allzu genau, was er meinte: Weder gelang es ihr, ihre Erregung zu verbergen, noch ihre Neugier, und er konnte all das in ihrem Blick lesen.
Seine Brauen zogen sich zusammen, und ein fast wilder Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Tu das nicht, Venetia. Ich bin es nicht gewohnt, Versuchungen zu widerstehen, schon gar nicht, wenn es um dich geht.“
Mit wild klopfendem Herzen riss Venetia ihren Blick von ihm los und betrachtete die Spitzen ihrer Stiefeletten. Es war verrückt, ihn verführen zu wollen und seine Gefühle herauszufordern, was auch immer es für Gefühle waren. Sie war ohnehin nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als dort zu stehen, bis ihr Herz schließlich von selbst aufhörte, bis in ihre Kehle zu schlagen und ihr Körper irgendwann von allein nicht mehr brannte, als würde tief in ihrem Inneren ein Feuer lodern.
Ein zartes Stimmchen wisperte ihr zu, was wohl wäre, wenn sie den Kopf hob und ihn ansah? Was, wenn sie die Arme um ihn schlang und ihn küsste, wie er sie am vergangenen Abend geküsst hatte? Was, wenn es sich nicht nur genauso gut, sondern noch besser anfühlte?
Venetia ballte ihre Hände zu Fäusten, während sie den Wunsch unterdrückte, ihn anzusehen und einen Schritt nach vom zu tun ... direkt in seine Arme. Denn das wäre unbesonnen und dumm. Ihre Freundschaft mit Gregor war mehr wert als ein läppischer Kuss. Sie war selbst für sich und ihre Gefühle verantwortlich, und sie war nicht so töricht, seine Freundschaft zu riskieren.
In dem Moment, in dem sich ihre Blicke begegneten, kam aus Gregors Kehle ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem Lachen und einem Stöhnen lag, und er riss sie in seine Arme und presste sie fest gegen seine harte Brust. Sofort war sie von seiner Wärme eingehüllt wie von einer Decke.
„Ich habe dich gewarnt“, murmelte er dicht an ihrem Ohr, und sie erschauerte, als sie seinen heißen Atem spürte. „Nun wirst du den Preis bezahlen, meine Liebe.“
9. Kapitel
Ach, meine kleinen Mädchen, es gibt nur sehr wenige Menschen, die euch verraten, wie die Dinge wirklich sind. Haltet jene in Ehren, die euch die Wahrheit sagen, ganz gleich, ob ihr sie hören wollt oder nicht...
... so sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
Venetias Puls raste. Sie hörte auf zu denken und verging unter seinen Lippen.
Leidenschaft galoppierte durch ihren Körper
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