Entfuehrung nach Gretna Green
„Ich glaub nur, dass er sehr schnell sch-schmelzen würde.“
Chambers zog seine dicken Brauen hoch. „Oh? Wie schnell?“
„Sehr schnell.“
„Hm. Wie wäre es, wenn ich einen dieser Eiszapfen hereinhole und wir eine Wette abschließen?“ Rasch schickte Chambers einen wachsamen Blick in Gregors Richtung und fuhr dann fort: „Natürlich nur eine kleine Wette.“
„Wetten Sie, um was auch immer Sie wetten wollen“, sagte Gregor achselzuckend. „Ravenscroft mag sich wie ein Kind anhören, er ist aber keines mehr.“
Ravenscroft schaute sich suchend um. „Wer is’ kein Kind mehr?“
„Sie! “, antwortete Gregor. „ Wenn Sie den Wunsch haben, Ihr Geld zum Fenster hinauszuwerfen, gibt es niemanden außer Ihnen selber, dem Sie daran die Schuld geben können.“
„Wunderbar!“, rief Chambers, während er sich die Hände rieb. Dann eilte er nach draußen, um einen Eiszapfen zu holen.
Gleich darauf war der Reitknecht wieder da, zog ein leeres Fass neben den Ofen und stellte einen großen Eiszapfen hinein. „Nun, Lord Ravenscroft? Was glauben Sie, wie lange er zum Schmelzen brauchen wird?“
Schwankend beugte sich der junge Lord vor, um schielend den Eiszapfen zu begutachten. Schließlich erklärte er in triumphierendemTon: „Ich geb ihm zweiundzwanzig Minuten!“ „Zweiundzwanzig Minuten sagen Sie also. Ich dagegen denke, es wird nicht so lange dauern.“ Chambers setzte sich wieder und füllte seinen und Gregors Becher ein weiteres Mal.
„Sie haben sich selbst übertroffen, Chambers“, stellte Gregor fest, nachdem er einen Schluck von dem Getränk genommen hatte. „Dies ist der beste Grog, den ich jemals ...“
„Pst! “, machte Ravenscroft und starrte den Eiszapfen in dem Fass unverwandt an. Ein paar Wassertropfen liefen an dem langen Eisstück herunter. „Wenn Sie reden, erwärmen Sie die Luft, und dann sch-schmilzt er schneller“, wisperte er in dramatischem Ton.
„Ich habe nicht vor, nur wegen einer dummen Wette schweigend hier herumzusitzen“, teilte Gregor ihm energisch mit.
„Die Wette is’ nich’ dumm“, widersprach Ravenscroft würdevoll, ruinierte aber sofort die Wirkung seiner ernsthaft vorgetragenen Worte, indem er von seinem Fass fiel.
Chambers stellte seinen Becher beiseite und half dem jungen Mann wieder auf seinen Sitz. „Hören Sie auf, so herumzuzappeln, sonst fallen Sie das nächste Mal noch mit dem Kopf gegen den Ofen.“
Ravenscroft klammerte sich mit den Händen an den Rand des Fasses und fuhr fort, den Eiszapfen verbissen anzustarren.
„Sie haben Ihren Einsatz nicht festgelegt“, wandte sich Gregor an Chambers. „Was gewinnen Sie, wenn Sie recht hatten?“ „Den Mantel des Lords.“
Ravenscroft erstarrte und riss seinen Blick von dem Eiszapfen los. „Dies’n Mantel?“
„Haben Sie noch ’nen anderen?“
„Nich’ hier.“
„Dann begnüge ich mich mit dem hier.“
„Aber ... was is’, wenn ich gewinne?“
Der Reitknecht kratzte sich am Kinn. „Dann gebe ich Ihnen mein Rezept für den Grog.“
Ravenscroft runzelte die Stirn. „Das is’ nich’ gerade ein Hauptgewinn.“
„Sie können all Ihre Freunde beeindrucken, wenn Sie den Grog für alle in Ihrer Wohnung machen“, erklärte ihm Chambers mit einem leichten Grinsen. „Sie werden von nah und fern kommen, um zu probieren.“
Ravenscrofts Mund verzog sich zu einem glückseligen Lächeln. „Ich werd sehr gefragt sein.“
„Alle werden sich um Ihre Einladungen reißen“, versicherte ihm Chambers. Mit begehrlichen Blicken betrachtete er den schweren Wollmantel, der Ravenscrofts schmale Schultern schmückte.
„Er wird Ihnen nicht passen“, gab Gregor zu bedenken.
„Ich habe nicht vor, ihn selber anzuziehen. Bei diesem Wetter wird es mir nicht schwerfallen, ihn dem Knaben für ein nettes Sümmchen zurückzuverkaufen“, erklärte der Reitknecht grinsend. „Der Eiszapfen wird’s nicht schaffen. Er ist jetzt schon halb geschmolzen.“
„Das kommt davon, dass Sie beide angefangen ham zu reden“, beklagte sich Ravenscroft in weinerlichem Ton.
Gregor stellte seinen Becher weg und streckte seine Hände dem Feuer entgegen. „Sie würden gut daran tun, niemals mit Chambers zu wetten.“
Misstrauisch beäugte Ravenscroft den Reitknecht. „Schummelt er?“
„Gott bewahre!“, widersprach Gregor grinsend. „Aber er wettet nie, wenn es nicht eine absolut sichere Sache ist.“
„Es gibt keine sicheren Sachen auf der Welt“, erklärte Ravenscroft weinerlich.
An dieser
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