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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koppel Hans
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was passiert ist«, sagte Karlsson.
    Mike sah ihn genervt an. Mit eigenen Worten? Wessen Worte sollte er sonst verwenden?
    »Sie ist nicht nach Hause gekommen«, sagte er. »Ich habe Sanna gegen halb fünf vom Hort abgeholt. Wir waren einkaufen und sind dann nach Hause gefahren. Ylva hatte morgens beim Frühstück erwähnt, eventuell nach der Arbeit noch ein Glas Wein trinken zu gehen.«
    »Mit den Kollegen?«
    »Ja. Sie hatten einen Abgabetermin, und …«
    »Abgabetermin?«
    »Sie arbeitet in einer Agentur, die Kundenzeitschriften produziert. Vor dem Abgabetermin müssen noch die letzten Korrekturen ausgeführt werden. Dann gehen die Seiten in die Druckerei. Das zieht sich manchmal in die Länge.«
    »Und dieses Mal?«
    »Nicht so sehr. Kurz nach sechs waren sie fertig.«
    »Und das wissen Sie, weil …?«
    »Wie ich Ihren Kollegen mittlerweile bereits etliche Male erläutert habe, habe ich zuerst Nour angerufen, eine
Kollegin meiner Frau. Die erzählte mir, sie hätten sich um Viertel nach sechs auf der Straße verabschiedet. Nour und die anderen wollten in ein Restaurant weiter. Ylva wollte nach Hause.«
    Karlsson nickte nachdenklich.
    »Ihnen erzählte sie also, sie wolle mit ihren Kollegen ein Glas Wein trinken gehen, und zu ihren Kollegen sagte sie, sie fahre nach Hause?«
    »Sie sagte, dass sie möglicherweise noch ein Glas Wein trinken gehe. Das war nicht sicher.«
    Karlsson legte den Kopf schräg und lächelte doch tatsächlich dabei. Mike hätte ihm am liebsten eine reingehauen.
    »Mir ist scheißegal, was Sie glauben. Sie haben eine bestimmte Vorstellung, aber Sie irren sich. Okay?«
    Karlsson breitete die Arme aus.
    »Ich finde es nur seltsam. Ihnen erzählt sie das eine und ihren Kollegen etwas anderes. Finden Sie das nicht auch merkwürdig?«
    »Meine Frau ist verschwunden. Sie war weder deprimiert noch selbstmordgefährdet. Soweit ich weiß, ist sie auch von niemandem bedroht worden. Und selbst wenn sie tatsächlich irgendwo einen feurigen Liebhaber versteckt haben sollte, würde sie trotzdem zu Hause bei ihrer Tochter anrufen.«
    »Wie kommen Sie auf die Idee, dass sie einen feurigen Liebhaber haben könnte?«
    Mike sah die Polizisten an. Er schaute von einem zum anderen. Karlsson lächelte ihn an.

    »Sie sind doch nicht ganz bei Trost. Sie sind ja vollkommen übergeschnappt. Finden Sie das etwa komisch? Meine Frau ist verschwunden, ist Ihnen der Ernst der Lage überhaupt bewusst?«
    »Wir fragen uns nur, ob es nicht eine Erklärung dafür gibt.«

25. KAPITEL
    Der Mann und die Frau nahmen die Matratze, die Decke und das Kissen mit und stellten den Strom ab.
    Ylva lag mit angezogenen Beinen und mit einem Handtuch zugedeckt auf dem Fußboden. Sie wusste nicht, wie lange. Sie lag unter dem Handtuch und weinte und stand nur auf, um Wasser zu trinken oder zu pinkeln. Als der Strom schließlich wieder eingeschaltet wurde, hatte sie das Gefühl, das Leben würde zurückkehren. Die Lampe an der Decke ging an, und der Fernsehmonitor zeigte wieder das Bild. Draußen war Tag, dem Licht und der geringen Aktivität nach zu urteilen, Nachmittag. Das Auto stand nicht in der Auffahrt. Ylva fragte sich, wo Mike war, was er unternahm. Ob er ihre letzten Schritte nachzuvollziehen versuchte und Zettel mit ihrem Foto aufhängte? Hatte irgendjemand sie in das Auto einsteigen sehen? Ylva glaubte es nicht.
    Was hätte sie an Mikes Stelle getan? Über die selbstverständlichen Dinge, wie bei Freunden anrufen, bei der Polizei und im Krankenhaus, hinaus? Sie hätte eine Vermisstenmeldung in der Zeitung aufgegeben und mit den Busfahrern gesprochen, die in der fraglichen Zeit gearbeitet
hatten. Sie hätte an jedem Haus zwischen der Bushaltestelle und ihrem Haus angeklopft. Gefragt, ob ihn jemand hatte vorbeigehen sehen, sie hätte die ganze Stadt mit seinem Foto und Suchmeldungen tapeziert.
    Die Einsicht kam wie ein Schlag ins Gesicht.
    Vielleicht fragte Mike ja sogar in dem Haus nach, in dem sie sich befand. Er würde sich dem gerade eingezogenen Paar vorstellen und in kurzen Zügen berichten, was vorgefallen war. Anschließend würde er ihnen ein Foto zeigen. Der Mann und die Frau würden interessiert zuhören, sich das Bild genauer anschauen und anschließend mitleidig die Köpfe schütteln. Die Frau würde die Hand auf die Brust legen und verzweifelt aussehen. Der Mann würde ernst sein, ein paar Fragen stellen, er würde versuchen, durch Denkanstöße weiterzuhelfen, wie es Männern zu eigen ist, die ernsthaft glauben,

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