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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koppel Hans
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ziehen, sie verdiene keinen raschen Ausweg. Aber sobald sie bereit sei, würden ihr die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung stehen.
    Anschließend hatte sich die Frau über den Schweißgeruch beklagt. Sie beklagte sich über alles. Ylva hatte mehr Angst vor ihr als vor ihrem Mann.
    Nach dem Duschen machte sich Ylva eine Tasse Tee und ein Butterbrot. Dann erledigte sie die Wäsche und bügelte, Aufgaben, die man ihr zugeteilt hatte. Seltsamerweise führte sie sie mit großem Engagement aus. Für ihre Arbeit erhielt sie Essen, Strom und Wasser, durfte sie weiterleben.
    Die Stehlampe, den Wasserkocher und die Bücher bekam sie für das andere.
    Ylva hatte ein wenig Aufmunterung verdient. Sie tat mehr, als von ihr erwartet wurde.
    Und sie war immer bereit.

    Calle Collin befand sich im Erweiterungsbau der Stadtbücherei an der Odengatan. Auf etlichen Schildern stand ausdrücklich, dass man nur eine Zeitung auf einmal nehmen durfte, aber Calle hatte es eilig und griff sich ein halbes Dutzend Provinzblätter, ehe er im Lesesaal Platz nahm.
    Der Journalismus stellte einen Kreislauf dar. Eins ergab das Nächste, das seinerseits Vertiefung verlangte, was zu neuen Artikeln führte, die Voraussetzung von …

    In Schulbüchern wurde darauf hingewiesen, wie wichtig mehrere und voneinander unabhängige Quellen waren. Die Verfügbarkeit sachlicher Informationen war eine Voraussetzung für kluge Beschlüsse mündiger Bürger, die dann für jene Partei stimmten, die sie für am geeignetsten hielten, die Geschicke des Landes in der nächsten Mandatsperiode zu lenken.
    Politischer Journalismus war allerdings nicht Calles Ressort, er versuchte vorrangig, Hunger und Gläubiger fernzuhalten. Aber auch die Illustrierten folgten denselben Gesetzen. In den Artikeln anderer fand er die Ideen für eigene Beiträge.
    Rasch und rastlos blätterte er und überflog routiniert den Inhalt. Die kurzen Artikel in der Lokalpresse waren am interessantesten. Dort fand sich sein Stoff: ungewöhnliche Vorfälle im Leben normaler Menschen.
    Er notierte sich alles, was sein Interesse weckte. Auch was sich nicht für eine Reportage oder ein Interview eignete, inspirierte ihn womöglich zu einem Beitrag für die »Geschichten unserer Leser«. Diese Beiträge wurden zwar nicht sonderlich gut bezahlt, waren aber rasch geschrieben. Calle hatte diese Seiten eine Zeitlang als Freiberufler für eine Illustrierte gefüllt und rasch eingesehen, dass es einfacher war, die Beiträge selbst zu schreiben, als die unbegreiflichen Texte zu redigieren, die die Leser einschickten.
    Dreißig Minuten später verließ Calle die Bibliothek. Er ging nach Hause und mailte in rascher Folge vier Redaktionen je drei Artikelvorschläge. Mehr Vorschläge würden nur die Geduld der Redakteure überstrapazieren.

    Im Laufe des Nachmittags würde er bei den Redaktionen anrufen und sich erkundigen, ob sie schon die Zeit gehabt hätten, sich seine Vorschläge anzusehen. Hoffentlich war wenigstens eine Reaktion positiv.
    Er hörte, wie die Post durch den Briefkastenschlitz katapultiert wurde und zu Boden fiel. Der Briefträger hatte offenbar eine Karriere als Basketballprofi hinter sich. Calle ging auf den Flur und sammelte seufzend die Rechnungen ein. Er schlitzte die Umschläge mit dem Daumen auf und stellte wieder einmal fest, dass Dinge, die schlecht aussahen, noch schlechter werden konnten.
    Drei Stunden später hatte er mit dem vierten und letzten Redakteur gesprochen. Niemand hatte angebissen. Zwei wollten noch mal über den einen oder anderen Vorschlag nachdenken, konnten aber nichts versprechen. Einer hatte sofort abgelehnt und laut geseufzt, als Calle seinen Namen genannt hatte. Ein anderer mit ausgeprägter sozialer Ader, aber extrem wenig Grips, hatte fröhlich abgelehnt und auf Sparmaßnahmen verwiesen. Calle war sich sicher, dass der Bursche bei Schwedens größtem Medienkonzern eine strahlende Karriere vor sich hatte.
    Calle lag auf dem Bett und starrte apathisch an die Decke, als das Telefon klingelte. Er schaute auf das Display. Helen, die Chefredakteurin von »Kinder und Eltern«. Calle antwortete mit munterer Stimme.
    »Das ist aber lange her.«
    »Jaja«, erwiderte sie gestresst. »Du musst entschuldigen. Wir hatten wahnsinnig viel um die Ohren. Und so ist es immer noch. Deswegen rufe ich auch an. Rasche Frage.
Könntest du vielleicht einspringen und beim Redigieren helfen?«
    »Natürlich. Wann?«
    »Morgen und am Freitag. Am liebsten auch noch nächste

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