Entfuhrt
Woche.«
»Natürlich«, sagte Calle.
»Ist das wahr? Super! Ich liebe dich.«
»No problem«, sagte Calle und beendete das Gespräch.
»Meine Güte, bin ich gefragt«, sagte er und lächelte breit.
35. KAPITEL
Ylva war tot. Mike war sich sicher. Er hegte keinerlei Hoffnung, dass sie sich plötzlich aus der Mittelmeerregion melden würde, wo sie in Sandalen und T-Shirt Trauben erntete und sich als geile, spätpubertäre Hippie-Tusse blamierte. Etwas war passiert, und er hatte keine Energie, Spekulationen über das Was anzustellen. Da die letzten Stunden ihres Lebens möglicherweise grauenvoll gewesen waren, blockte Mike bewusst alle Überlegungen in dieser Richtung ab und konzentrierte sich auf die bevorstehenden, praktischen Dinge.
»Papa, du hast eine Einladung zum Maskenball bekommen!«
»Was? Ich?«
Sanna kam mit einer Einladungskarte angelaufen. Mike hob seine Tochter hoch und umarmte sie fest. Er nickte seiner Mutter zu, die mit der Schürze in der Küche stand und lächelnd zuschaute.
»Was ziehst du an?«, fragte Sanna.
»Ich weiß nicht. Darf ich mir die Einladung ansehen?«
Er stellte Sanna wieder auf den Boden und nahm die
Karte. Er hängte seine Jacke auf und las, während er in die Küche ging.
»Sie wird also vierzig«, sagte er und küsste seine Mutter auf die Wange. »Hm, riecht lecker.«
»Ganz gewöhnliche Fleischbällchen, nichts Besonderes.«
»Gibt es was Besonderes?«
»Als was sollen wir dich verkleiden?«, lag ihm Sanna in den Ohren.
»Ich weiß nicht. Erst einmal sehen, ob ich überhaupt hingehe.«
»Was? Gehst du nicht?«
Sanna konnte es nicht fassen. Eine Maskerade. Sich verkleiden dürfen. Unschlagbar!
»Natürlich geht Papa«, sagte Kristina.
»Mal sehen«, meinte Mike und stibitzte ein Fleischbällchen direkt aus der Bratpfanne.
Sanna sah ihren Vater enttäuscht an.
»Nie willst du was Lustiges machen.«
»Wirklich nicht?«, erwiderte Mike.
»Nein. Nie«, sagte Sanna.
»Aber ich weiß nicht, ob ich einen Maskenball so wahnsinnig aufregend finde.«
»Papa, du findest überhaupt nichts aufregend.«
Calle Collin seufzte laut. Das war ein vollkommen sinnloser Text, zu dem sich unmöglich eine Überschrift dichten
ließ. Die Zitate waren nichtssagend, die aufgereihten Fakten bereits bekannt und die Perspektive so aufregend wie das Nachtleben in Nässjö.
Es war Freitagnachmittag, und die Redaktion von »Kinder und Eltern« saß in der Küche und trank Kaffee. Helen hatte Calle zu einer Tasse überreden wollen, aber er weigerte sich, seinen Schreibtisch zu verlassen, bevor ihm nicht eine Überschrift eingefallen war. Es war sein letzter Tag als stellvertretender Schlussredakteur, und er wollte mit dem Artikel fertig werden, wobei ihm unbegreiflich war, warum Helen den Text überhaupt eingekauft hatte.
Um ihn herum klingelten die Telefone, eines nach dem anderen.
»Sagst du bitte beim Empfang Bescheid, dass sie keine Gespräche durchstellen?«, rief Helen. »Sag, dass wir bis 16 Uhr eine Besprechung haben.«
Calle griff zum Hörer und rief den Empfang an.
»Ich denke, das ist ein Gespräch, das ihr lieber entgegennehmen solltet«, sagte die Frau am Empfang. »Am besten kümmert sich Helen persönlich darum.«
»Okay, stell durch.«
Calle nannte der Frau, die vollkommen außer sich war und die Chefredakteurin sprechen wollte, seinen Namen.
»Worum geht es denn?«, fragte Calle, der das Kaffeekränzchen der Redaktion nicht stören wollte, weil ein Abonnent seine Zeitschrift zu spät bekommen hatte.
Es dauerte eine halbe Minute, bis Calle begriffen hatte, wie ernst die Sache war.
»Einen Augenblick«, sagte er dann. »Ich hole sie.«
Er legte den Hörer auf den Tisch und schluckte sein Unbehagen herunter, ehe er in die Küche ging. Offenbar standen ihm seine Gedanken ins Gesicht geschrieben, denn alle verstummten sofort und sahen ihn fragend an.
»Eine Frau ist am Telefon«, sagte Calle. »Ihr hattet in der letzten Nummer eine Reportage über Afrika oder so.«
Helen nickte.
»Ja, was ist damit?«
»Der Mann ist tot«, sagte Calle. »Kam vor gut vier Monaten bei einem Verkehrsunfall ums Leben.«
»Mein Gott.«
Helen stand rasch auf.
»Dein Telefon?«, fragte sie.
Calle nickte.
Er blieb in der Küche stehen und lauschte mit den anderen Helens Worten. Ihren Entschuldigungen und ihrem aufrichtigen Bedauern, ihrer tief empfundenen Anteilnahme. Ihren in diesem Zusammenhang vollkommen belanglosen, aber ehrlich gemeinten Erklärungsversuchen für das
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