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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koppel Hans
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eine sehr große Hilfe. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Sie holte Sanna von der Schule ab und kochte an mehreren Tagen in der Woche das Essen. Gelegentlich übernachtete sie auch, um am nächsten Tag das Haus zu putzen. Mike fühlte sich wie ein verwöhnter Teenager, aber er wusste auch, dass beide Seiten profitierten. Kristina war durch die plötzliche Verantwortung regelrecht aufgeblüht.
    Sie unterhielten sich häufiger über Mikes Vater, fast mehr als über Ylva. Aus verständlichen Gründen. Die Gespräche über Ylva führten zu Mutmaßungen und Spekulationen, Fantasien, die nichts brachten, sondern im Unterbewussten weiterwucherten und spätestens nach zwei Tagen als Albträume wiederkehrten.

    In diesen Nächten konnte Mike nicht wieder einschlafen. Dann kam es vor, dass er seine Mutter anrief und weinte. Sie sprachen von Trauer und Verlust, von dem unangenehmen Geschmack im Mund, der alles überdeckte und das Atmen erschwerte.
    Seine Mutter und Gösta Lundin. Kluge, verständnisvolle, vernünftige Menschen, die zuhörten, ihn reden ließen und ihm seine Schwäche zugestanden. Keine verdammten Tabletten, die abstumpften und süchtig machten.
    Mike war es seiner Tochter schuldig, seelisch fit und präsent zu sein.
    Das war seine einzige Aufgabe, und sich darauf zu konzentrieren, gab ihm Kraft und verlieh ihm außerdem eine neue Autorität. Er musste sich um nichts anderes mehr kümmern. Die Arbeit war Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Bei Besprechungen stellte er die auf der Hand liegenden Fragen, die keiner sonst zu stellen wagte, und brachte die selbstverständlichen Einwände vor, die sonst nur die Mächtigsten und Einflussreichsten vorbringen durften.
    Jemand winkte ihm zu. Eine Fußgängerin war vor seinem Auto stehen geblieben, um auf sich aufmerksam zu machen. Eine schöne Frau, die ihn anlächelte.
    Ist was nicht in Ordnung?, überlegte Mike, bevor er sie erkannte, die Hand hob und das Lächeln erwiderte.
    Nour ging um die Motorhaube herum, und er ließ das Fenster auf der Beifahrerseite herunter. Sie beugte sich vor.
    »Hallo! Wie geht’s?«

    Er wusste, worauf sich die Frage bezog. Sie hatten seit Ylvas dramatischem Verschwinden keinen Kontakt mehr gehabt. Mike lächelte.
    »Danke, ganz okay. Es ist jetzt tatsächlich alles viel besser.«
    »Ich wollte dich zigmal anrufen, aber irgendwie kam es dann nie dazu«, sagte Nour.
    Der Fahrer hinter ihm begann zu hupen. Mike schaute rasch in den Rückspiegel.
    »Ich stehe offenbar im Weg.«
    »Wohin fährst du?«, fragte Nour.
    »Zur Arbeit. Wohin musst du?«
    »In dieselbe Richtung. Darf ich?«
    »Klar.«
    Mike legte Sannas Kindersitz nach hinten, Nour öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Mike legte einen Gang ein, aber der Fahrer hinter ihm hatte bereits die Spur gewechselt, fuhr verärgert vorbei und warf Mike wütende Blicke zu. Mike hob freundlich und entschuldigend die Hand, aber der andere Fahrer schüttelte nur den Kopf.
    »Wichtig«, meinte Nour ironisch. »Wirklich wichtig.«

38. KAPITEL
    Die Neonröhre an der Decke ging blinkend an. Ylva erwachte von der plötzlichen Helligkeit. Ihre Augen waren verklebt, und sie fühlte sich fiebrig.
    Sie wusste nicht, wie lange der Strom abgestellt gewesen war, zwei Tage vermutlich. Die Milch im Kühlschrank war sauer geworden, und außer einem trockenen Roggenbrot in Scheiben und einer Dose billigen Thunfischs hatte sie nichts zu essen gehabt.
    Den Grund für diese Bestrafung kannte sie nicht, sie hatte eigentlich eher eine Belohnung für ihre sexuellen Dienste erwartet. Sie hatte mehr getan, als von ihr erwartet worden war, hatte sich eingelebt. Gösta hatte keinen Grund zur Klage.
    Ylva schaute auf den Fernseher. Draußen war es hell, und Mikes Auto stand nicht in der Auffahrt. Sie vermutete, dass ein Wochentag war.
    Zwei harte Schläge gegen die Tür waren zu hören. Ylva stand mit zitternden Knien auf und legte ihre Hände auf den Kopf. Ihr war schwindlig, und sie schwankte. Während der dunklen Tage hatte sie zusammengerollt unter der Decke gelegen, Kinderlieder gesummt, mehrmals vorwärts
und rückwärts bis zehntausend gezählt und das Bett nur verlassen, um auf die Toilette zu gehen.
    Fußboden Wände Decke.
    Der Strom war wieder eingeschaltet, und sie konnte das Leben draußen auf dem Monitor verfolgen. Sie war zu fast allem bereit, um eine erneute Dunkelphase zu verhindern.
    Der Schlüssel drehte sich im Schloss. Die Tür wurde geöffnet, und Marianne trat ein. Sie hielt ein aufgerolltes

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