Entfuhrt
gegoogelt?«
»Er hat für verschiedene Zeitungen geschrieben. Nichts Besonderes.«
»Sie sagten doch, dass er für das Familienjournal arbeitet. Vielleicht sollten Sie dort mit jemandem sprechen.«
»Wie hieß er? Calle …?«
Marianne blätterte ungeduldig im alten Schülerjahrbuch ihrer Tochter. Sie ging mit dem Finger die Namensverzeichnisse durch.
»Calle, Calle, Calle. Jonsson?«
»Nein, Collin«, erwiderte Gösta.
»Hier«, meinte Marianne. »Dritter von links in der zweiten Reihe. Da.«
Sie betrachtete das Foto skeptisch und zuckte dann mit den Achseln.
»Ich hätte ihn nie im Leben wiedererkannt.«
Es klingelte. Gösta beugte sich vor und schaute aus dem Fenster. Es war Mike.
»Um Gottes willen«, sagte er.
»Mach schon auf«, zischte Marianne.
Gösta ging zur Haustür und machte auf dem Weg sicherheitshalber die Tür zum Keller zu. Er öffnete mit gespieltem Erstaunen. Mike hielt eine Flasche in der Hand.
»Ein symbolischer Dank«, sagte er.
»Vielen Dank, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
»Doch. Sie waren wirklich sehr, sehr wichtig für mich. Ich weiß nicht, wie ich ohne Ihre Hilfe zurechtgekommen wäre.«
Gösta nahm die Flasche entgegen, betrachtete das Etikett und zog anerkennend die Brauen hoch.
»Vielen Dank. Das ist wirklich viel zu viel, aber trotzdem vielen Dank. Ich hätte Sie gerne hereingebeten, aber bei uns geht es gerade etwas drunter und drüber.«
»Um Gottes willen, machen Sie sich keine Umstände. Ich muss sowieso nach Hause und für Sanna kochen«, sagte Mike. »Ich wollte das nur rasch überreichen.«
»Danke«, sagte Gösta.
»Ich habe zu danken.«
Mike hob die Hand und ging. Gösta schloss die Tür und kehrte zu seiner Frau in die Küche zurück.
»Er hat mich wiedererkannt«, sagte sie und deutete mit dem Zeigefinger auf das Schülerjahrbuch. »Ich glaube nicht, dass er mich zuordnen kann, aber wenn er das tut, dann wird er sich seinen Teil zusammenreimen.«
»Keine Panik. Mal den Teufel nicht an die Wand. Warum sollte er dich wiedererkannt haben? Wie viele Eltern deiner Mitschüler würdest du wiedererkennen? Und du hast ihn schließlich auch nicht wiedererkannt.«
»Nein. Weil er damals ein Kind war und jetzt erwachsen ist. Wir haben uns sicher auch verändert, aber nicht so stark.«
Gösta seufzte.
»Und wenn schon. Warum sollte er das mit Ylva in Zusammenhang bringen? Dazu gibt es keinen Grund. Außerdem hat Mike ihn rausgeworfen. Es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass Calle Collin sich noch einmal bei ihm meldet.«
»Vielleicht nicht, aber das Risiko besteht.«
Marianne atmete tief durch.
»Gösta. Es ist jetzt so weit. Sie muss weg. Schafft sie es nicht selbst, musst du ihr auf die Sprünge helfen.«
Ylva sah alles auf dem Bildschirm.
Mike ging mit einer Flasche Wein in der Hand auf das Haus zu, in dem sie sich befand. Wenig später ging er mit leeren Händen wieder weg.
Die Kamera erfasste nicht den unmittelbaren Bereich vor der Haustür, aber es war nicht sonderlich viel Fantasie nötig, um zu verstehen, was sich abgespielt hatte. Mike hatte eine Flasche Wein überreicht. Es stimmte, was Gösta gesagt hatte: Mike und er kannten sich. Gösta hatte Mikes Vertrauen.
Der Wein war natürlich ein Dankeschön für die Hilfe. Dass Gösta ihm zuhörte, auch wenn darin zufälligerweise seine Arbeit bestand. So war das in den spießigen Vororten: eine Flasche Wein für eine erwiesene Gefälligkeit. Unter guten Nachbarn.
Ylva fragte sich, was das für sie für Konsequenzen haben würde. Welche Gefahren darin lauerten. Gösta und Marianne konnten auf keinen Fall in ihren vier Wänden Besuch empfangen. Jeder Mensch, der ihr Haus betrat, stellte ein Sicherheitsrisiko dar. Sie waren gezwungen, Kontakt suchende Nachbarn auf Distanz zu halten. Sie konnten höflich grüßen, mehr aber nicht.
Göstas Interesse an ihr hatte nachgelassen, das spürte Ylva deutlich. An dem Tag, an dem er ganz die Lust auf sie verlor, war alles vorbei, das war ihr klar.
Ylva versuchte, noch lauter zu stöhnen und ihre Dienste auf jede erdenkliche Art zu variieren. Trotzdem wirkte Gösta gelangweilt. Nur wenn er sie mit Gewalt nahm, konnte er noch für kurze Augenblicke dasselbe Interesse wie im ersten halben Jahr aufbringen.
50. KAPITEL
Es war wichtig, nichts zu überstürzen. Sie waren gezwungen, genau zu planen, alle Möglichkeiten gründlich zu durchdenken. Es war kein Problem, sie zu töten. Aber Gösta glaubte immer noch, sie dazu bringen zu
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