Enthemmt!
betrachte sie mit großen Augen. “Du machst Witze, oder?”
“Ich denke, du könntest vielleicht die Richtige für ihn sein. Wirklich.”
“Er ist schwul, Rhonda. Oder zumindest sexuell verwirrt.”
“Bisexuell. So sagt er zumindest. Aber diese Beziehung – das war nur eine Phase.”
“Ah, jetzt geht es mir schon viel besser.”
“Ich meine es ernst. Er hat mir sein Herz ausgeschüttet. Er sagt, dass er sich jetzt entschieden hätte, dass er eine nette Frau finden und eine Familie gründen will.”
“Und dann hast du ihn mit
mir
verkuppelt?”
“Er ist ein wirklich netter Kerl. Er war nur eine Zeit lang durcheinander. Weißt du.”
Ach du liebe Zeit. Ich kann es nicht fassen. Ich kann nicht fassen, dass sie mich mit einem Typen verkuppelt hat, von dem sie wusste, dass er auf Männer steht.
“Tut mir leid. Ich dachte, es würde klappen.”
“Sag ihm, dass ich ihm viel Glück für die Versöhnung mit seinem Ex wünsche.”
“Nein, das ist vorbei. Wirklich. Sein Ex ist verrückt, so eine Art Stalker …”
Mit einer Handbewegung unterbreche ich sie. “Rhonda, es ist mir egal, ob es vorbei ist oder nicht. Ich stehe nicht auf bisexuelle Männer. Egal, ob es sich um deinen Cousin handelt oder nicht.”
“Entschuldige.”
“Ich kapiere bloß nicht, warum du mich mit ihm zusammenbringen wolltest.” Es ist ja nicht gerade so, dass ich im Sender verkünde, ich wäre auf der Suche nach einem Mann. “Ein bisexueller Mann ist einfach ein Schwuler, der es nicht wahrhaben will. Warum hast du mich in so eine Situation gebracht?”
“Tut mir leid.”
“Nein, wirklich.” Ich lasse nicht locker. “Was hast du dir dabei gedacht? Dass ich dringend einen Mann nötig habe, oder was? Ist es das, was die Leute hinter meinem Rücken reden? Wirke ich irgendwie verzweifelt?”
“Nein, nein, natürlich nicht. Das war nicht deinetwegen. Sondern seinetwegen.” Sie atmet zitternd aus. “Ich hatte irgendwie gehofft …”
“Ja?”, hake ich nach, als sie verstummt.
“Nun, ich dachte, er würde endlich kapieren, dass er nicht schwul ist, wenn er eine so tolle Frau wie dich trifft.”
Meine Herren. So eine Erklärung hatte ich nicht gerade erwartet.
Rhonda scheint wegen der ganzen Sache ziemlich zerknirscht, also lege ich ihr einen Arm um die Schulter. “Ist schon gut. Bin nicht sauer auf dich. Aber bitte, keine weiteren Versuche, mich zu verkuppeln.”
Sie lächelt mich an, dann kommt Joanie zurück, und Rhonda nutzt die Gelegenheit zu verschwinden. “Wir sehen uns später, ja?”
“Sicher.” Sobald sie durch die Tür ist, schüttle ich den Kopf.
“Worum ging's denn?”, fragt Joanie.
“Glaub mir, das willst du gar nicht wissen.”
Später, wieder in der Garderobe, wische ich mir gerade das Make-up ab, als das Telefon klingelt. Es ist spät, schon weit nach Mitternacht, also gehe ich davon, dass es jemand vom Sender ist.
“Hallo?”
“Du warst toll heute Nacht.”
Ich stutze. Schweige einen Moment. “Kennen wir uns?”
“Das könnte man sagen. Ja, das könnte man tatsächlich sagen.”
Toll, noch ein Stalker. “Danke für den Anruf …”
“Halt. Halt. Lishelle.”
Plötzlich habe ich das Gefühl, als hätte ich einen Schlag in den Magen bekommen. Was ist das? Freude? Nein, nein, keine Freude. Nun, vielleicht ein bisschen. Aber sie ist mit Argwohn gemischt.
“Glenn?”, frage ich.
“Wer denn sonst, Baby?”
Lieber Gott, hilf mir, doch nicht Glenn. Glenn, mit dem ich vor zehn Jahren Tage andauernde Orgasmen erlebte. Glenn, der das Beste aus mir herausholte – und das Schlechteste. Glenn, der mein Herz brach, als ich entdeckte, dass er mit einer seiner Assistentinnen an der University of Atlanta schlief.
Ich hätte ihn daraufhin hassen und aus meinem Leben und meinen Gedanken verbannen sollen. Aber wie kann man einen Mann vergessen, mit dem man so tief verbunden war? Egal, wie furchtbar er einen verletzt hat?
Deswegen haben wir im Sommer nach unserer Trennung noch gelegentlich miteinander geschlafen. Dann, vor sechs Jahren, kurz bevor ich David kennen lernte, rief Glenn mich aus heiterem Himmel an, als er einen Freund in der Stadt besuchte. Und wieder landeten wir im Bett. Am nächsten Tag verschwand er aus meinem Leben, ich traf David und lebte weiter. Vergessen aber habe ich Glenn nie.
“Wie geht es dir?”, frage ich. Ich weiß, das ist eine furchtbar lahme Frage, aber mir fällt nichts Besseres ein. Ich bin von der Tatsache, seine Stimme zu hören, einfach
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