Enthemmt!

entschuldige mich bei den anderen, ergreife Alishas Arm und ziehe sie zur Seite. “Okay, Ally. Was ist los?”
    “Ich freue mich so für Lishelle – du nicht?”
    “Deswegen heulst du doch nicht. Und wie viel hast du schon getrunken?”
    “Nur ein Glas, glaube ich. Vielleicht zwei.”
    “Hör auf zu lügen. Du kannst ja kaum noch aufrecht stehen. Was ist passiert?”
    Alisha beginnt wieder diskret zu weinen, deshalb schiebe ich sie zur Toilette, die Gott sei Dank nicht sehr weit entfernt ist.
    “… dieser verfluchte Scheißkerl”, sagt eine Frau in dem Moment, in dem wir eintreten. Sie reicht einer anderen gut gekleideten und ebenfalls weinenden Frau ein Kleenex.
    Drama. In Frauentoiletten spielen sich immer wieder Dramen ab.
    Ich führe Alisha zum Sofa. “Erzähl mir alles”, flüstere ich ihr zu.
    “Ich kann nicht …” Sie wirft einen Blick durch den Raum. “Ich möchte nicht hier darüber sprechen.”
    “Ist es was Ernstes?” Es ist fürchterlich, meine Freundin so zu sehen. “Das zumindest will ich wissen.”
    “Es ist nur … ich sollte heute Morgen bei einer Hochzeit fotografieren, aber dann rief die Frau an, als ich schon bei der Kirche war, und sagte das Ganze ab. Sie sagte, sie hätte herausgefunden, dass ihr Verlobter bei seinem Junggesellenabschied sie mit einer Stripperin betrogen hätte.”
    “Und das haut dich Stunden später noch so um?”
    “Nein … ich hatte auch einen Streit mit Charles. Aber ich schätze, das wird schon wieder”, fügt sie tapfer hinzu.
    Ich schlinge einen Arm um sie. Als die beiden anderen Frauen die Toilette verlassen habe, frage ich sofort: “Was meinst du mit 'das wird schon wieder'? Ihr hattet einfach nur einen Streit, oder? Nichts Ernstes.”
    Neue Tränen füllen ihre Augen. Einen Moment lang kann sie nicht mal sprechen.
    “Ach nein.” Ich schüttle den Kopf. “Ally, nein.”
    “Er sagt, dass ich unsere Ehe aufs Spiel setze, dass ich ihn forttreibe.”
    “Wie bitte?”
    “Ich, die ich immer für ihn da bin. Die ihm die Kleider wäscht und sogar dafür sorgt, dass seine Unterhosen anständig gebügelt sind.”
    “Du bist eine wunderbare Ehefrau.”
    “Er meint, dass ich zu viel Druck ausübe, wenn ich alles Mögliche versuche, um ihn in Stimmung zu bringen.” Alisha putzt sich die Nase. Die Tränen sind verschwunden, Trotz blitzt jetzt in ihren Augen auf. “Und weißt du, was ihn so wütend gemacht hat? Dass ich ein Wochenende in so einem Sex-Wellness-Hotel in Arizona für uns gebucht habe. Vor ein paar Tagen erst sagte er, er würde ein paar Tage Urlaub nehmen. Und dann ist er plötzlich sauer.”
    “Ach komm.”
    “Nein, wirklich. Ich versuche, unsere Ehe zu retten, und er wird sauer. Sagt, dass er bis zum Hals in Arbeit steckt. Gut, das weiß ich ja. Aber er muss sich doch irgendwann mal freinehmen können, oder nicht? Er ist nicht der einzige Anwalt, der an diesem Fall arbeitet. Marsha Hindenberg könnte doch für einen Tag übernehmen.”
    “Finde ich auch.” Ich reibe ihren Rücken. “Ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist.”
    “Und nicht nur das. Am Dienstag habe ich in seinem Lieblingsrestaurant einen Tisch bestellt, wir hatten vorher darüber gesprochen und er war ganz angetan von der Idee. Aber dann kam er nicht nach Hause. Rief vom Flughafen aus an und sagte, dass er für ein paar Tage beruflich verreisen müsse.”
    “Warum hast du mich nicht angerufen?”
    “Mir ist das alles so peinlich. Ist er mein Ehemann oder irgendein Fremder? Ich habe keine Ahnung mehr.”
    “Das wird schon wieder. Ich weiß es.”
    “Und wenn nicht? Was, wenn er mich verlässt?”
    “Nein. Ach du lieber Gott, nein! Hör mal, mein Vater hat meine Mutter auch oft warten lassen. Charles ist nun mal ein sehr bekannter Anwalt. Und er muss sehr viel arbeiten.”
    “Aber warum sagt er, dass ich ihn unter Druck setze?”
    “Ehepaare haben ständig solche Streitgespräche. Und da werden Sachen gesagt, die man gar nicht so meint.”
    “Ich hoffe, du hast recht.”
    “Habe ich. Ally, ihr hattet einen Streit. Mehr nicht.”
    Alisha scheint über meine Worte nachzudenken, äußert sich aber nicht. Stattdessen steht sie auf und streicht ihr buttergelbes Kleid glatt. Es steht ihr fantastisch, unterstreicht ihr blondes Haar.
    “Wir sollten besser wieder zurückgehen”, sagt sie.
    “Bist du in Ordnung?”
    “Mir geht's gut”, versichert sie. “Lass mich nur schnell mein Make-up auffrischen.”
    Wir verbringen ein paar Minuten mit Puder und