Enthemmt!
abbremse. Allerdings fahre ich nicht die Auffahrt hinauf.
Das Schild “Zu verkaufen” steht noch immer davor.
Ich atme durch, steige aus, marschiere über das Kopfsteinpflaster zur Eingangstür und spicke hinein. Die große Wendeltreppe. Die schimmernden Holzböden.
“Ich will dieses Haus”, flüstere ich. “Ich will dieses Leben. Ich will es mit dir, Glenn.”
Ich rufe ihn auf dem Handy an. Keine Antwort.
Und dann wähle ich eine andere Nummer, auch eine, die ich auswendig kenne. Die von Channel Four, meinem Sender. Wenig später habe ich Juan Cortez am Apparat. Er arbeitet an den Wochenenden in der Wetterredaktion.
“Juan, hallo. Hier ist Lishelle.”
“Hallo, Lishelle. Warum rufst du hier an einem Wochenende an?”, fragt er mit diesem erotischen spanischen Akzent.
“Ich würde gerne etwas wissen, nämlich, wie das Wetter in Montana ist.”
“Montana! Glaub mir, Liebes, da solltest du besser nicht hinfahren. Dort gibt es nämlich nichts als Kühe und Getreidefelder.”
“Danke für den Hinweis, aber ich will da sowieso nicht hin. Ich möchte nur wissen, wie das Wetter ist. Im ganzen Staat.”
“Warte mal eine Sekunde.” Kurz darauf ist er wieder dran. “Nun, in Montana ist es gerade ziemlich heiß. Brutal heiß sogar. Über 38 Grad im ganzen Staat, eine regelrechte Dürreperiode.”
“Dürreperiode. Bist du sicher? Weil ich etwas von Überschwemmungen gehört habe …”
“Mit Sicherheit nicht.”
“Danke, Juan.”
“Jederzeit, Liebes.”
Und dann starre ich noch einmal durch ein Fenster dieses herrlichen Hauses, das ich so gerne gehabt hätte. Das Haus, in dem ich meine Kinder großziehen wollte, zusammen mit dem Mann, den ich liebe.
Ich wollte dieses Märchen leben. Aber Märchen existieren nicht.
Man sollte meinen, dass ich alt genug bin, um das zu wissen.
Meine Jahre als Reporterin haben mich gelehrt, auf meinen Bauch zu hören. Und mein Bauch sagt mir auf der Rückfahrt, dass gerade etwas verdammt schiefläuft.
“Bitte, lieber Gott”, bete ich und befürchte das Schlimmste. Ich weiß nicht, warum ich nicht eher daran gedacht habe, aber jetzt fällt es mir ein.
Das Geld.
War ich total bescheuert? Habe ich die Zeichen nicht erkannt?
Bitte, Gott. Bitte nicht.
Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis ich bei meiner Wohnung ankomme. Ich renne ins Büro, reiße die Schublade auf, in der ich die Schecks für den Kredit deponiert habe.
Das Scheckheft ist verschwunden.
höllische wut
25. KAPITEL
C laudia
“Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?”, frage ich Alisha. Sie wohnt jetzt erst mal bei mir, und ich bin froh darüber. Dann werde ich wenigstens nicht verrückt.
“Ich kann nicht”, ruft sie aus dem Badezimmer, wo sie sich gerade silberne Creolen ansteckt. “Ich muss heute einfach ins Fotostudio. Ich bin vollkommen pleite, irgendwie muss ich Geld verdienen.”
“Ich weiß. Hör mal, wenn du Geld brauchst …”
“Ich kann doch schon hier wohnen.”
“Schon, aber …”
“Wenn ich etwas brauche, werde ich es dir sagen.”
“Gut.” Alisha saust aus dem Bad, ich folge ihr ins Wohnzimmer. “Ich wünschte, du würdest mitkommen. Ich habe keine Lust, mit Chantelle allein zu sein.”
“Sie hätte eine deiner Brautjungfern werden sollen. Also seid ihr doch befreundet, oder?”
“Aber du weißt doch, dass es immer auch Freundinnen gibt, denen man nicht völlig vertraut. So eine ist Chantelle. Sie lächelt mir ins Gesicht und ist immer höflich, aber meine dunkelsten Geheimnisse habe ich ihr nie anvertraut.”
“Ah so. Eine von denen.” Alisha eilt zur Tür und schlüpft in ihre Sandalen.
“Gehst du jetzt sofort?”
“Ja. Bestimmt muss ich eine Menge Anrufe beantworten. Hoffe ich wenigstens. Gott weiß, dass ich jeden Auftrag brauchen kann.”
“Dann wünsche ich dir einen schönen Tag, Süße.”
“Wünsche ich dir auch.”
Ich umarme sie schnell, dann ist sie schon aus der Tür.
Ich trotte in mein Schlafzimmer, um mich für das Fitnessstudio anzuziehen. Eigentlich möchte ich ja gar nicht gehen, weil ich keine Lust habe, über Adam zu sprechen. Aber was bleibt mir denn übrig? Ich kann mich doch nicht für den Rest meines Lebens hier verkriechen.
Eine Dreiviertelstunde später betrete ich das schicke Fitnessstudio in Buckhead, wild entschlossen, Chantelle und allen anderen zu beweisen, dass es mir trotz allem gut geht.
“Chantelle”, flöte ich, als ich auf sie zuschwebe. Wir hauchen Küsschen in die Luft, und Chantelle sieht
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