Enthuellung
Wohlanständigkeit.
Mark deutet auf die gewundene Treppe, die mit einem roten Teppich belegt ist. Mit Chris bin ich damals im Flur auf der rechten Seite gegangen. Da ist eine zweite Treppe, die ich nicht bemerkt habe. Sie führt abwärts und zu dem Ziel, das wir ansteuern. Wir gehen nach unten, und der gewundene Weg ist quälend und ewig. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, hämmert hinter meinen Augen, hämmert und hämmert. Ich klammere mich an das Geländer, und irgendwie habe ich Mark untergehakt, um mich auch an ihn zu klammern. Ich erinnere mich nicht daran, wie wir zu einer weiteren Tür gelangen. Plötzlich sind wir einfach da. Sie ist aus Holz und hat einen Rundbogen und einen riesigen metallenen Riegel. Mein Magen verkrampft sich. Oh Gott. Ein Kerker. Schmerz. Folter.
Mark dreht mich zu sich um, hält meinen Arm fest. »Akzeptieren Sie ihn oder gehen Sie.«
»Warum tun Sie das?«
»Weil er gefährlich nahe am Abgrund ist und ich denke, dass Sie ihn zurückholen können.«
Ich schaue ihm suchend ins Gesicht, halte Ausschau nach der Wahrheit in seiner Antwort und finde sie. Es ist mir egal, warum ihm nicht egal ist, was Chris zustößt. Ich weiß einfach, dass er Anteil nimmt. Ich drücke den Rücken durch. »Bringen Sie mich zu ihm.«
Er mustert mich lange, schätzt meine Gemütsverfassung ein, und offenbar heißt er sie gut. Ohne ein weiteres Wort schiebt er den schweren Riegel beiseite und öffnet die Tür. Der Geruch von etwas Würzigem wie Weihrauch dringt mir in die Nase und geht mir durch und durch wie beißende Furcht. Ich halte den Atem an, als ich vortrete, blende den Geruch aus und befinde mich in etwas, das aussieht wie eine Betonzelle, nicht mehr als siebenmal sieben Meter. Mindestens ein halbes Dutzend Laternen flackern in stählernen Halterungen hoch an den Wänden.
Ich hole Luft, um mich zu beruhigen, und starre auf den großen, schwarzen Monitor an der Wand direkt vor mir, ganz ähnlich dem, den Chris benutzt hat, um mir eine Frau zu zeigen, die in einem anderen Teil des Herrenhauses ausgepeitscht wurde. Kälte kriecht mir in die Knochen, und ich schaudere; das Gefühl, unter der Erde und gefangen zu sein, ist beinahe unerträglich.
»Wo ist er?«, frage ich.
Mark deutet auf die Holztür zu meiner Linken. »Im Nebenzimmer, aber ich muss das klarstellen. Wenn ich Ihnen erlaube, das Spiel zu stören, breche ich damit jeden Ehrencodex, der in diesem Club gilt. Ich greife nur ein, wenn ich zu dem Schluss komme, dass das Wohlergehen einer Person gefährdet ist.«
»Was sagen Sie da?«
»Er geht zu weit, wenn er in dieser Verfassung ist. Die Nachricht, die ich bekommen habe, bevor wir aufgebrochen sind, lautet, dass er heute Nacht gefährlicher drauf ist als in den extremsten Situationen zuvor.«
Meine Nägel bohren sich in meine Handflächen. »Bringen Sie mich zu ihm.«
Er geht zu dem Monitor und greift nach einer Fernbedienung, die er aus einer Nische in der Wand holt. »Ich muss wissen, dass Sie mit dem, was Sie vorfinden, fertigwerden können, bevor ich Sie hineinlasse.«
»Dann zeigen Sie es mir«, verlange ich und balle die Fäuste auf der Brust, als könnte das mein Herz daran hindern zu zerspringen.
»Die Gründe, warum Menschen unser Spiel hier genießen, variieren. Die meisten von uns finden einfach, dass es ein Adrenalinrausch ist und eine vergnügliche Flucht. Chris geht es nicht um Vergnügen. Ihm geht es darum, sich selbst zu bestrafen.«
»Verdammt, Mark,
zeigen
Sie es mir.«
Seine Lippen werden schmal, und er drückt auf eine Taste der Fernbedienung. Der Bildschirm erwacht zum Leben. Ich höre Chris, bevor ich ihn sehe, sein raues, harsches Atmen. Ich versuche zu verarbeiten, was ich sehe. Chris ist in einer runden Betonzelle, barbrüstig und nur mit Jeans bekleidet. Seine Arme sind ausgestreckt und an Pfähle gebunden. Er trägt keine Maske, aber die Frau, die hinter ihm steht, ist maskiert. Sie trägt eine Art kaum existentes Lederoutfit mit hohen Stiefeln, und
oh Gott.
Ich halte mir den Mund zu und zucke zusammen, als sie mit der Peitsche zu einem heftigen Schlag auf Chris’ Rücken ausholt. Sein Körper zuckt bei dem Aufschlag des Riemens.
»Fester!«, knurrt Chris, auf dessen Stirn sich Schweiß sammelt. »Fuck, schlag mich, als würdest du es ernst meinen, oder schick jemanden her, der den Job erledigen kann.«
Sie schlägt ihn abermals. Er zuckt unter dem Schlag zusammen, dann lacht er verbittert. »Bist du die Pussy oder bin ich es?«
Die Frau holt mit
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