Enthuellung
das war, was wir beide uns erhofft hatten.«
»Ich werde alles daransetzen, dass Mark Ihre Vertretung wiedererlangt, wissen Sie.«
»Ich weiß.«
Er öffnet die Tür für mich. Ich trete hinaus, und wir verabschieden uns schnell. Ich will gerade die Treppe hinuntergehen, als mir eine Frage einfällt, die mich zögern lässt. Die Wohltätigkeitsversteigerung bei
Allure
war für dasselbe Kinderkrankenhaus, dem Chris hilft, aber da sie anscheinend nicht befreundet sind, bin ich neugierig, wie sich das entwickelt hat. Ich will noch mal anklopfen, da summt mein Telefon abermals.
Ich ziehe das Handy aus der Tasche und sehe eine SMS und sechs versäumte Anrufe. Ich drücke auf die SMS von Chris.
Geh nicht noch einmal durch diese Tür.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, und ich wirbele herum, um den Blick über die Einfahrt wandern zu lassen. Eine Bewegung im Hintergrund erregt meine Aufmerksamkeit, und ich sehe die Harley im Schatten hinter dem 911er parken. Chris lehnt an dem Motorrad.
12
Ich gehe die Vortreppe von Alvarez’ Haus hinunter und kriege kaum Luft, als hätte ich eins von den Klebebändern, die Chris so liebt, um den Hals. Es scheint mir die Kontrolle über mein Leben abzuschnüren. Ich bin wütend darüber, dass er hier ist. Es ist mir peinlich, weil Alvarez ziemlich sicher Überwachungskameras hat und davon erfahren wird, wenn nicht jetzt, dann später. Die Grenze zwischen meinem Job und unserer Beziehung ist mehr als verschwommen. Auf einmal bin ich mir verdammt sicher, dass ich die Einzige bin, die sich jemals eingebildet hat, dass sie überhaupt existiert.
Die Erkenntnis, dass ich seine Kontrollsucht unterschätzt habe, lässt meine Absätze bei jedem Schritt klappern. Ich stürme auf den 911er zu, den Wagen, den ich mir zu fahren gestattet habe, statt an meiner eigenen Identität festzuhalten. Ich sehe Chris nicht an, aber verdammt soll er sein, ich kann ihn am ganzen Körper spüren, überall, innen und außen und an intimen Stellen, und ich kann meinen Körper nicht davon überzeugen, dass er dort nicht willkommen ist. Allein seine Nähe lässt diese Saiten in mir klingen, und nicht mal lodernder Zorn bringt sie zum Verstummen. Nicht zum ersten Mal spüre ich tief in meiner Seele Rebeccas Worte aus dem ersten Tagebucheintrag.
Er war tödlich, eine Droge, und ich befürchtete …
Ich fühle mich ihr verbunden und verstehe, dass sie der Leidenschaft, die sie empfand, nicht entrinnen konnte, dass sie sich in ihr verloren hat. Ich will nicht sie sein. Ich bin nicht sie. Und zum ersten Mal seit meinen ersten paar Begegnungen mit Chris frage ich mich, ob ich mich zu ihm hingezogen fühle, weil ich einen Hang zur Selbstzerstörung habe – und er sich zu mir aus demselben Grund.
Ich erreiche die Fahrerseite des Wagens, und in meiner Hast, in dem 911er Zuflucht zu suchen, habe ich den Schlüssel nicht hervorgeholt. Ohne Chris anzusehen, fummele ich mit dem Schlüssel herum. Ich weiß, er wird neben seiner Harley stehen, in Leder und Jeans, und er wird nach Sex und Sünde und Befriedigung aussehen. Der Schlüssel fällt zu Boden. Ich hocke mich hin, um ihn aufzuheben und meine Fassung wiederzugewinnen.
Plötzlich ist Chris da, auf Augenhöhe, wie in der ersten Nacht, in der wir uns begegnet sind, als ich meine Handtasche fallen gelassen hatte. Ich hebe den Blick und sehe ihm in die Augen, und ein Gefühlsausbruch erschüttert mich bis ins Mark. Meine Brüste sind schwer, meine Schenkel schmerzen. Meine Haut kribbelt. Ein schmaler Grat zwischen Liebe und Hass, hat Alvarez gesagt, und ich verstehe die Bemerkung in diesem Moment voll und ganz. Ich starre in seine Augen und frage mich, ob auch er an die Nacht unserer ersten Begegnung denkt und an die vielen Arten, auf die wir uns geliebt haben. Die vielen Arten, auf die wir es nicht getan haben und auf die ich es tun will, auch wenn ich es nicht sollte. Ich sollte Abstand gewinnen und Unabhängigkeit und mir meiner eigenen Identität bewusst werden, die er bedroht, indem er mein Leben bestimmt. Es ergibt keinen Sinn, wie ich mich in diesen Momenten fühle, und sie kommen mir wie eine Ewigkeit vor. Wie kann ich so wütend auf Chris sein und immer noch so vollkommen an ihn verloren?
»Wir haben eine Menge zu bereden, nicht wahr?«, bricht er den Bann. Sein Tonfall ist leise, das ärgerliche Schnarren in seiner Stimme unüberhörbar. Es reißt mich in die Realität zurück. Er ist vor dem Haus meines Kunden aufgetaucht, und
er
ist wütend
Weitere Kostenlose Bücher