Enthuellung
und ich stelle Fragen und schwärme von seinem Werk. Zwischen meinen Fragen beantworte ich ihm ebenfalls welche. »Wer ist Ihr Lieblingsmaler aus der Renaissance?« – »Wie stellen Sie sicher, dass Sie keine Fälschung kaufen?« – »Welche Bilder haben in den letzten fünf Jahren die fünf höchsten Preise erzielt?« Nach einer Weile wirkt er erfreut über meine Antworten, und unser Gespräch wird lässiger.
Nachdem ich gesehen habe, dass drei seiner Gemälde nach Frauen benannt sind, kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen. »Sie müssen ein ziemlicher Frauenheld sein.«
»Ich habe einen schlechten Ruf«, bestätigt er. »Und vielleicht werde ich ihm hier und da gerecht. Ich glaube, das hängt auch davon ab, was man unter dem Begriff Frauenheld versteht.«
Die Feststellung kommt mir wahr vor, über ihre Allgemeingültigkeit hinaus. Wie oft geschieht es, dass Menschen in eine Schublade gesteckt und auf diese Weise zu dem werden, was über sie gesagt wird – nicht zu dem, was sie sein sollten oder könnten.
Wir plaudern weiter über Kunst, und als wir unseren Rundgang schließlich beenden, habe ich jedes Zeitgefühl verloren. »Sie sind beeindruckend kenntnisreich, Bella.«
Diesmal lächle ich unbefangen. »Das freut mich zu hören. Ich weiß nicht, wer mich härter über meine Kenntnisse verhört hat, Sie oder Mark.«
Seine Augen werden schmal. »Erlaubt er Ihnen, ihn Mark zu nennen?«
Ich winde mich. »Äh, nein. Mr Compton natürlich.«
»Natürlich erlaubt er es Ihnen nicht.« Die Abfälligkeit in seiner Stimme ist schwer zu überhören. »Meine Freunde nennen mich Ricco, Sara, und das sollen Sie auch tun.«
»Bedeutet das, dass ich Ihre Werke meinen Kunden zeigen darf?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Sie dürfen meine Werke zeigen. Mark darf es nicht. Ich werde Ihnen eine private Provision von fünfundzwanzig Prozent geben, Mark allerdings nichts.«
Ich erbleiche, und jeder Muskel in meinem Körper erstarrt. Er benutzt mich, um sich für irgendeine alte Sünde an Mark zu rächen. »Das kann ich nicht tun. Ich arbeite für ihn. Das wäre nicht richtig.«
»Mark denkt nur an sich. Entweder Sie lernen das schnell, oder Sie werden am Ende zerquetscht wie alle anderen um ihn herum. Lassen Sie das nicht zu, Bella.«
Verzweifelt versuche ich, das Ganze wieder unter Kontrolle zu bekommen, und suche nach einer Möglichkeit, die Beziehung zwischen ihm und Mark zu reparieren. »Haben Sie nicht eine Wohltätigkeitsveranstaltung mit Mark gemacht? Das war eine gute Sache, die Sie zusammen getan haben. Was, wenn wir so etwas noch einmal machen würden?«
»Die hat Rebecca organisiert, und ich kann meine Werke nicht ständig für eine gute Sache spenden. Ich habe mich entschieden, es bei
Allure
zu tun, weil Rebecca mich darum gebeten hat.« Er kommt auf sein Angebot zurück. »Erlauben Sie mir, Ihnen zu zeigen, wie Sie akquirieren und auf eigene Rechnung verkaufen können.«
»Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber …«
»Lassen Sie sich von ihm nicht in seine Welt einsaugen. Sie ist gefährlich, genau wie er.«
Was hat es damit auf sich, dass mich Marks Künstler ständig vor ihm warnen? »Solange er nicht eine Machete zur Arbeit mitbringt«, scherze ich lahm, »werde ich mit ihm fertig.«
»Männer wie Mark brauchen keine Macheten, um Ihre Unabhängigkeit und Ihr Selbstwertgefühl zu verstümmeln. Sie vergewaltigen Ihre Seele.«
Ganz gleich, wie wahr seine Behauptung sein mag, für mich ist sie wie eine Ohrfeige, und ich kann mich kaum daran hindern, einen Schritt zurückzutreten. »Ich sollte gehen, aber bitte, Sie müssen wissen, dass ich Ihre Bilder liebe. Das meine ich ernst. Ich würde mich geehrt fühlen, sie zu präsentieren.«
»Und das können Sie auch. Sie, und nur Sie.«
»Das geht nicht.«
Er mustert mich mehrere angespannte Sekunden lang und bedeutet mir dann voranzugehen. »Also schön. Ich werde Sie zur Tür bringen und Sie nach Hause fahren lassen, damit Sie darüber nachdenken können.«
Wir gehen wieder Seite an Seite, und als ich bereit bin, das Atelier zu verlassen, greift er nach meiner Jacke und hilft mir hinein. Sofort spüre ich, dass meine Tasche vibriert. Oh Mist. Wie viel Zeit ist vergangen? Ich hänge mir meine Aktentasche über die Schulter, dann greife ich nach meinem Handy und winde mich, weil ich es versäumt habe, mich bei Jacob zu melden.
Alvarez hält inne, die Hand auf dem Türknauf. »Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen, auch wenn der Ausgang nicht
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