Enthüllung
innerbetrieblichen Mi t spracherecht hatte.
Viele der Witze, die über ihn gerissen wurden, nahmen sein Gehabe auf die Schippe. Er war affektiert, stark auf sein Äußeres bedacht und rupfte ständig an sich herum – er strich sich übers Haar, übers Gesicht, über den Anzug, um die Falten zu glätten, was fast so aussah, als streichle er sich selbst. Dies und seine unglückselige Angewohnheit, sich die Nase zu reiben, zu drücken oder sogar darin zu bohren, boten immer wieder Anlaß zur Heiterkeit. Das Lachen über ihn hatte jedoch immer einen ängstlichen Unterton: Man mißtraute Blackburn, weil er ein moralistischer Mann fürs Grobe war.
Wenn Blackburn Ansprachen hielt, konnte er durchaus charismatisch wirken, und auch im privaten Gespräch beeindruckte er zumindest kurze Zeit hindurch mit seiner intellektuellen Ehrlichkeit. Innerhalb der Firma aber betrachtete man ihn als das, was er war – als einen käuflichen Menschen, als einen Mann, der keinerlei eigene Überzeugung besaß und demnach den idealen Erfüllungsgehilfen für Garvin abgab.
In den ersten Jahren waren Sanders und Blackburn enge Freunde gewesen. Sie hatten nicht nur gemeinsam die Anfänge des Unternehmens miterlebt, sondern auch privat viel miteinander zu tun gehabt: Als Blackburn 1985 eine schlimme Scheidung durchstehen mußte, hatte er sich eine Zeitlang in Sanders’ Junggesellenwohnung in Sunnyvale einquartiert. Und ein Jahr darauf war er bei Sanders’ Hochzeit mit der jungen Anwältin Susan Handler Toms Trauzeuge gewesen.
Als Blackburn sich 1989 wieder verheiratete, lud er Sanders allerdings nicht zur Hochzeit ein. Die Beziehung der beiden Männer war brüchig geworden. Manche Leute in der Firma hielten ein Zerwürfnis für unausweichlich: Blackburn war ein Mitglied des inneren Machtzirkels in Cupertino, dem Sanders, der nach Seattle übergewechselt war, nicht mehr angehörte. Darüber hinaus gab es zwischen den beiden heftige Kontr o versen in Bezug auf die neuen Fabriken in Irland und Malaysia. Sanders hatte den Eindruck, daß Blackburn, der sich ganz auf die juristischen Feinheiten konzentrierte, keinerlei Sinn für die unausweichlichen Fakten der Auslandsproduktion besaß.
Typisch war beispielsweise Blackburns Forderung, das Kontingent der Fließbandarbeiter in der neuen Fabrik in Kuala Lumpur solle zur Hälfte aus Frauen bestehen, die mit den Männern zusammen an einem Fließband arbeiten sollten. Die malaysischen Manager dagegen wollten die Frauen von den Männern trennen, wollten sie nur an bestimmten Abschnitten eines Fließbandes arbeiten lassen, möglichst weit weg von den Männern. Phil erhob energischen Protest, während Sanders ihm immer wieder sagte: »Das ist nun mal ein islamisches Land, Phil!«
»Ist mir doch scheißegal«, erwiderte Phil dann. »Bei DigiCom herrscht Gleichheit.«
»Das ist ihr Land, Phil, und sie sind nun mal Muslime.«
»Na und? Es ist unsere Fabrik!«
Es kam zu immer neuen Meinungsverschiedenheiten dieser Art. Die Behörden in Malaysia wollten nicht, daß ortsansässige Chinesen als Aufseher eingestellt wurden, obwohl sie am besten dafür qualifiziert gewesen wären; die malaysische Regierung hatte klar zum Ausdruck gebracht, daß nur Malaysier zu Aufsehern ausgebildet werden sollten. Sanders war mit dieser eklatant diskriminierenden Vorgehens weise nicht einversta n den gewesen, weil er für die Fabrik die besten Vorarbeiter haben wollte, die zu bekommen waren. Phil aber, der sich in Amerika offen gegen jede Diskriminierung aussprach, hatte die Einste l lungspolitik der malaysischen Behörden sofort hingenommen, und zwar mit dem Argument, DigiCom müsse eine wirklich multikulturelle Haltung einnehmen. Sanders mußte in letzter Minute nach Kuala Lumpur fliegen und sich mit den Sultans von Selangor und Pahang treffen, um ihre Forderungen zu erfüllen. Phil hatte öffentlich verkündet, Sanders habe »sich den Extr e misten gebeugt«.
Aber dies war nur eine von vielen Kontroversen in Zusammenhang mit Sanders’ Leitung der malaysischen Fabrik gewesen.
Sanders und Blackburn begrüßten sich nun mit der Behutsamkeit ehemaliger Freunde, die schon seit langem nur mehr oberflächliche Herzlichkeit füreinander aufbrachten. Sanders schüttelte dem eintretenden Justitiar die Hand. »Was ist eigen t lich los, Phil?«
»Ein großer Tag«, sagte Phil Blackburn und setzte sich auf den Stuhl gegenüber Sanders’ Schreibtisch. »Jede Menge Überraschungen. Ich weiß nicht, was du schon gehört
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