Enthüllung
Meredith Johnsons zur Leiterin der APG völlig problemlos auch die Abteilungsleiter ernennen können. Wenn Garvin beschlossen hatte, irgendeiner Frau die Firme n leitung zu übertragen, die vorher im Verkauf beschäftigt war, so war das seine Sache. Aber das brauchte ihn doch nicht daran zu hindern, die Abteilungsleiter in ihren Positionen zu belassen – Männer, die ihm und dem Unternehmen jahrelang gute Dienste erwiesen hatten.
»Mein Gott!« sagte Sanders noch einmal. »Seit zwölf Jahren bin ich nun schon in dieser Firma.«
»Und du wirst bestimmt noch viele weitere Jahre bei uns sein«, versuchte Blackburn ihn zu beruhigen. »Sieh mal, alle Beteiligten haben ein Interesse daran, daß die Teams so bleiben, wie sie sind, weil Meredith, wie bereits gesagt, sie nicht direkt leiten kann.«
»Hm.«
Blackburn schloß seine Manschettenknöpfe und strich sich mit der Hand durchs Haar. »Hör mir zu, Tom. Ich weiß, du bist enttäuscht, weil Bob dich nicht befördert hat. Aber du darfst der Tatsache, daß Meredith nun die Abteilungsleiter benennen wird, nicht zuviel Gewicht beimessen. Wenn du die Sache realistisch betrachtest, muß dir doch klar sein, daß sie keine Veränderu n gen vornehmen wird. Deine Stellung ist gesichert.« Er hielt kurz inne. »Du weißt doch, wie Meredith ist, Tom.«
»Ja, von früher her«, sagte Sanders nickend. »Meine Güte, ich habe doch praktisch eine Zeitlang mit ihr gelebt. Aber ich habe sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen.«
Blackburn überraschte das offenbar. »Ihr zwei habt keinen Kontakt mehr zueinander?«
»Nein, überhaupt nicht. Als Meredith bei DigiCom anfing, war ich hier oben in Seattle, und sie arbeitete in Cupertino. Ein einziges Mal traf ich sie, als ich geschäftlich dort war. Wir sagten hallo, und das war’s dann auch schon.«
»Dann kennst du sie also nur von früher her«, sagte Blackburn, als ergebe das alles für ihn plötzlich einen Sinn. »Sechs, sieben Jahre liegt das wohl inzwischen zurück, nicht?«
»Länger sogar«, sagte Sanders. »Seit acht Jahren bin ich in Seattle. Es muß also …« Er versuchte sich zu erinnern. »Als ich mit ihr befreundet war, arbeitete sie für Novell in Mountain View. Sie verkaufte damals Ethernet-Karten an kleine lokale Netzwerke. Wann war das noch mal?« An seine Beziehung mit Meredith Johnson konnte er sich lebhaft erinnern, aber nicht an die genauen Daten. Er versuchte, sich irgendein wichtiges Ereignis ins Gedächtnis zu rufen – einen Geburtstag, eine Beförderung, einen Umzug –, um auf das Jahr zu kommen. Dann fiel ihm ein, daß er einmal mit ihr zusammen die Wah l berichterstattung im Fernsehen angesehen hatte: in die Höhe schwebende Luftballons, jubelnde Menschen. Meredith hatte Bier getrunken. Das war noch am Anfang ihrer gemeinsamen Beziehung gewesen.
»Mensch, Phil, wie die Zeit vergeht. Das muß jetzt fast zehn Jahre her sein.«
»So lange«, sagte Blackburn nachdenklich.
Als Sanders Meredith Johnson zum erstenmal begegnete, war sie eine von Tausenden hübscher Vertreterinnen gewesen, die in San José arbeiteten, junge Frauen zwischen 20 und 30, frisch aus dem College, deren Tätigkeit zunächst darin bestand, Computer vorzuführen, während ein älterer, stets männlicher Kollege daneben stand und dem Kunden alles erklärte. Mit der Zeit lernten viele dieser Frauen genug dazu, um die Verkaufsg e spräche selbst durchzuführen. Als Sanders mit Meredith befreundet war, hatte sie sich bereits so gut in den Verkaufsjargon eingearbeitet, daß sie ohne Schwierigkeiten alles über Token-Ring-Karten und 10BaseT-Sternverteiler herunterrattern konnte. Sie besaß kein wirklich fundiertes Wissen über diese Dinge, aber das war auch nicht nötig. Sie sah gut aus, war sexy und intelligent und verfügte über eine geradezu unheimliche Selbstbeherrschung. Sanders hatte sie damals sehr bewundert, aber niemals hätte er sie für fähig gehalten, eine Führungsposition in einem Betrieb zu übernehmen.
Blackburn zuckte mit den Achseln. »Es ist viel passiert in diesen neun Jahren, Tom. Meredith ist mehr als eine einfache Firmenvertreterin. Sie ist noch mal aufs College gegangen und hat ein Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen. Sie hat bei Symantec und anschließend für Borland gearbeitet und kam dann zu uns. In den vergangenen Jahren hat sie sehr eng mit Garvin zusammengearbeitet. Sie wird von ihm protegiert. Diverse Aufgaben hat sie zu seiner großen Zufriedenheit erledigt.«
Sanders schüttelte den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher