Enthüllung
»Und jetzt ist sie meine Chefin …«
»Ist das ein Problem für dich?«
»Nein. Ich finde es nur irgendwie komisch – eine ehemalige Freundin als Chefin …«
»Ja, sie hat sich gemacht«, sagte Blackburn. Er grinste, aber Sanders merkte, daß er ihn dabei genau beobachtete. »Du scheinst dich bei dem Gedanken irgendwie unwohl zu fühlen, Tom.«
»Wird ein bißchen dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.«
»Stellt es ein Problem für dich dar, eine Frau über dir zu haben?«
»Überhaupt nicht. Ich habe unter Eileen gearbeitet, als sie die Personalabteilung leitete, und bin ausgezeichnet mit ihr ausg e kommen. Das ist es nicht. Es ist nur einfach komisch, mir Meredith Johnson als meine Chefin vorzustellen.«
»Sie ist eine überaus beeindruckende und fähige Managerin«, sagte Blackburn, erhob sich und strich seine Krawatte glatt. »Ich bin sicher, daß du sehr von ihr angetan sein wirst, wenn du sie wiedersiehst. Gib ihr eine Chance, Tom!«
»Ja, klar.«
»Das wird sich schon einspielen, Tom. Richte deinen Blick jetzt auf die Zukunft. Schließlich wirst du in etwa einem Jahr ziemlich reich sein.«
»Soll das heißen, daß der Spin-off der Advanced Products Group trotzdem über die Bühne geht?«
»Aber natürlich. Auf jeden Fall.«
Der Fusionsplan beinhaltete die vieldiskutierte Bestimmung, daß Conley-White nach dem Erwerb von DigiCom die Abte i lung Advanced Products ausgliedern und als eigene Aktieng e sellschaft etablieren würde. Für alle Mitarbeiter der Abteilung bedeutete dies enorme Gewinne, denn jeder würde Gelegenheit haben, vor dem öffentlichen Verkauf der Aktien günstige Optionen zu erwerben.
»Wir sind noch dabei, die letzten Einzelheiten auszuarbeiten«, erklärte Blackburn. »Aber ich rechne damit, daß Abteilungsleitern wie dir zunächst 20 000 Anteile und eine Anfangsoption von 200 000 Anteilen à 25 Cent zustehen werden. Außerdem werdet ihr in den folgenden fünf Jahren das Recht haben, jährlich weitere 100 000 Anteile zu erwerben.«
»Und der Spin-off wird auch dann durchgeführt, wenn Mer e dith die Abteilungen leitet?«
»Du kannst es mir glauben. Innerhalb der nächsten zwölf Monate ist es soweit. Das ist ein formaler Bestandteil des Fusionsplans.«
»Sie hat also keine Möglichkeit, es sich vielleicht anders zu überlegen?«
»Keinerlei Möglichkeit, Tom.« Blackburn grinste ihn an. »Ich kann dir ja das kleine Geheimnis erzählen: Dieser Spin-off war ursprünglich Meredith’ Idee!«
B lackburn verließ Sanders’ Büro, suchte sich im selben Gang einen Raum, von dem aus er ungestört telefonieren konnte, und rief Garvin an. Blackburn hörte den vertrauten harschen Ton: »Garvin am Apparat.«
»Ich habe mit Tom Sanders gesprochen.«
»Und?«
»Ich finde, er hat es ganz gut aufgenommen. Enttäuscht war er natürlich schon. Offenbar waren ihm bereits Gerüchte zu Ohren gekommen. Aber er hat es gut aufgenommen.«
»Und die neue Unternehmensstruktur? Wie hat er darauf reagiert?«
»Na ja, er macht sich Sorgen«, sagte Blackburn. »Er äußerte Bedenken.«
»Wieso denn?«
»Er hält ihr technisches Wissen für nicht groß genug, um die Abteilung zu leiten.«
»Technisches Wissen? Das ist wirklich das letzte, um was es mir geht!« schnaubte Garvin.
»Natürlich. Aber ich hatte den Eindruck, daß er in privater Hinsicht ein gewisses Unbehagen verspürt. Sie wissen ja, daß die beiden mal eine Beziehung miteinander hatten.«
»Ja«, sagte Garvin. »Ich weiß. Haben sie sich seitdem gesehen?«
»Schon seit ein paar Jahren nicht mehr, sagt er.«
»Böses Blut?«
»Ich hatte nicht den Eindruck.«
»Was macht er sich dann Sorgen?«
»Ich glaube, er braucht ein bißchen Zeit, bis er sich an die Vorstellung gewöhnt hat.«
»Wird schon werden.«
»Denke ich auch.«
»Informieren Sie mich, falls Sie etwas Gegenteiliges hören sollten«, sagte Garvin und legte auf.
Blackburn blieb in dem leeren Raum stehen und runzelte nachdenklich die Stirn. Das Gespräch mit Garvin hatte eine unerklärliche Unruhe in ihm hinterlassen. Es war zwar nicht schlecht gelaufen, aber trotzdem … Tom Sanders würde diese Umstrukturierung nicht einfach so hinnehmen, dessen war er sicher. Sanders war beliebt in der Firma und durchaus in der Lage, Schwierigkeiten zu machen. Er war zu unabhängig, kein Teamspieler, dabei hatte die Firma gerade jetzt Teamgeist besonders nötig. Je länger Blackburn darüber nachdachte, um so stärker wurde seine Überzeugung, daß Sanders noch ein
Weitere Kostenlose Bücher