Enthüllung
stecke in Schwierigkeiten, Max.«
»Selbstverständlich stecken Sie in Schwierigkeiten«, zischte Dorfman. »Die ganze Woche stecken Sie schon in Schwieri g keiten. Haben Sie das erst jetzt bemerkt?«
»Die wollen mich fertigmachen.«
»Die?«
»Blackburn und Meredith.«
»Unsinn!«
»Es ist die Wahrheit.«
»Sie glauben, Blackburn könnte Sie fertigmachen? Phil Blackburn ist ein charakterloser Narr. Er hat keine Prinzipien und eine sehr geringe Intelligenz. Ich habe Garvin schon vor Jahren geraten, ihn zu entlassen. Blackburn ist völlig unfähig zu eigenständigem Denken.«
»Dann eben Meredith.«
»Ah, Meredith! Ja. So schön! Solch herrliche Brüste!«
»Bitte, Max!«
»Das war einmal auch Ihre Meinung.«
»Ist lange her«, sagte Sanders.
Dorfman lächelte. »Die Zeiten haben sich geändert?« fragte er mit deutlich ironischem Unterton.
»Was soll das heißen?«
»Sie sind kreidebleich, Thomas.«
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Ich habe Angst.«
»Ah, Sie haben Angst. Ein großer Mann wie Sie hat Angst vor dieser schönen Frau mit den schönen Brüsten.«
»Max –«
»Ihre Angst ist selbstverständlich berechtigt. Schließlich hat sie Ihnen ja all diese schrecklichen Dinge angetan. Sie hat Sie ausgetrickst und manipuliert und mißbraucht, ja?«
»Ja«, sagte Sanders trotzig.
»Garvin und Meredith haben Sie schikaniert.«
»Ja.«
»Warum haben Sie dann mir gegenüber die Blume erwähnt, hm?«
Sanders runzelte die Stirn. Zuerst wußte er nicht, was Dorfman meinte. Der alte Mann verwirrte ihn immer so, und er genoß es, ihn –
»Die Blume«, sagte Dorfman, ungeduldig mit den Knöcheln auf die Armlehne seines Rollstuhls klopfend. »Die Blume aus farbigem Glas in Ihrer Wohnung. Unlängst sprachen wir doch davon. Sagen Sie bloß, Sie haben es vergessen!«
Ja, er hatte es vergessen, es fiel ihm erst jetzt wieder ein: die bunte Glasblume, jenes Bild, das ihm vor wenigen Tagen ganz plötzlich wieder eingefallen war. »Ja, ich hatte es vergessen.«
»Sie haben es vergessen!« Dorfmans Stimme troff vor Sa r kasmus. »Wollen Sie mir das wirklich weismachen?«
»Es ist aber so, Max. Ich –«
»Sie sind unmöglich!« zischte Dorfman. »Ich glaube einfach nicht, daß Sie so primitiv sind. Sie haben es nicht vergessen, Thomas. Sie zogen es nur vor, sich nicht damit auseinanderz u setzen.«
»Mit was denn?«
Sanders sah die Glasblume vor sich, grell orangerot, blau und gelb. Die Blume in dem Glaseinsatz in seiner Wohnungstür. Am Montag hatte er ständig an sie denken müssen, es war fast schon eine Manie gewesen. Aber gestern und heute –»Ich ertrage dieses Gerede nicht länger«, sagte Dorfman. »Selbstverständlich ist Ihnen das alles bewußt. Aber Sie sind nun mal entschlossen, nicht daran zu denken.«
Sanders schüttelte den Kopf. Er war völlig durcheinander.
»Thomas. Sie haben mir doch vor zehn Jahren alles erzählt!« Dorfman gestikulierte jetzt heftig. »Sie haben sich mir anve r traut, weinend. Sie waren unglaublich aufgeregt damals. Es war die wichtigste Sache in Ihrem Leben – damals. Und jetzt wollen Sie das alles vergessen haben?« Er schüttelte den Kopf. »Sie erzählten mir, Sie unternähmen mit Garvin Geschäftsreisen nach Japan und Korea. Und immer wenn Sie wiederkamen, wartete Meredith in Ihrer Wohnung auf Sie. In irgendeiner erotischen Aufmachung, was weiß ich – in irgendeiner erot i schen Pose. Und Sie erzählten mir, daß Sie sie manchmal bei Ihrer Rückkehr zuerst durch das bunte Glas sahen. Haben Sie mir das nicht erzählt, Thomas? Habe ich das damals falsch verstanden?«
Er hatte es falsch verstanden.
Mit einem Mal war die Erinnerung da, wie ein scharfgestelltes Dia, das groß und hell vor ihm erschien. Jetzt sah er es, fast so, als wäre er wieder dort: die Treppe, die zu seiner im ersten Stock gelegenen Wohnung führte, und er hörte die Geräusche, die er gehört hatte, als er nachmittags die Treppe hinaufging, Gerä u sche, die er zuerst nicht einordnen konnte, aber als er den Treppenabsatz erreicht hatte und durch das farbige Glas sah, da wußte er plötzlich, was er hörte –»Ich bin damals früher zurückgekommen«, sagte er.
»Ja, genau. Sie kamen unerwartet«, sagte Dorfman.
Die Glassteine, gelb und orangerot und blau. Und durch sie hindurch ihr nackter Rücken, der sich auf und ab bewegte. Sie war im Wohnzimmer, auf der Couch, und sie bewegte sich auf und ab.
»Und was taten Sie?« fragte Dorfman. »Als Sie sie sahen?«
»Ich
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