Enthüllung
klingelte.«
»Sie klingelten. Ein äußerst zivilisiertes Verhalten. Ein in hohem Maße defensives und höfliches Verhalten. Sie klinge l ten.«
In Gedanken sah er, wie Meredith sich umdrehte und zur Tür blickte. Das Haar fiel ihr wirr ins Gesicht. Sie strich es sich aus den Augen. Als sie ihn sah, veränderte sich ihre Miene. Sie riß ganz weit die Augen auf.
Dorfman bohrte weiter. »Und dann, was war dann? Was taten Sie als nächstes?«
»Ich ging. Ich ging zur … ich ging in die Garage und stieg in meinen Wagen. Ich fuhr ziellos umher. Einige Stunden. Vie l leicht auch länger. Als ich zurückkam, war es dunkel.«
»Sie waren selbstverständlich sehr aufgebracht.«
Er stieg wieder die Treppe hoch und sah wieder durch das farbige Glas. Das Wohnzimmer war leer. Er schloß die Tür auf und ging ins Wohnzimmer. Auf der Couch stand eine Schüssel mit Popcorn. Die Couch war voller Falten. Der Fernseher lief ohne Ton. Er wandte den Blick von der Couch ab und ging ins Schlafzimmer. Er rief ihren Namen. Sie packte gerade. Ihr Koffer lag geöffnet auf dem Bett. Er sagte: »Was machst du da?«
»Ich gehe«, sagte sie und sah ihn an. Sie stand sehr aufrecht vor ihm, sehr angespannt. »Oder erwartest du das nicht von mir?«
»Ich weiß nicht.«
Und dann brach sie in Tränen aus. Sie schluchzte, griff nach einem Papiertaschentuch, schneuzte sich laut und unbeholfen wie ein Kind. Beim Anblick ihres Elends streckte er die Arme nach ihr aus, und sie schmiegte sich an ihn und sagte ihm mit tränenerstickter Stimme, daß es ihr leid tue, immer wieder sagte sie es. Immer wieder sah sie zu ihm auf, streichelte sein Gesicht.
Und dann, er wußte selbst nicht, wie …
»Gleich auf dem Koffer, was?« sagte Dorfman kichernd. »Gleich dort auf dem Koffer, auf den Kleidern, die sie eing e packt hatte, feierten Sie Ihr Versöhnungsfest!«
»Ja«, sagte Sanders.
»Sie erregte Sie. Sie wollten sie wiederhaben. Sie war eine Herausforderung für Sie. Sie wollten sie besitzen.«
»Ja …«
»Die Liebe ist etwas Wunderbares«, sagte Dorfman aufseu f zend, mit nicht zu überhörendem Sarkasmus. »So rein, so unschuldig. Und dann waren Sie wieder zusammen, ja?«
»Ja. Eine Zeitlang. Aber es klappte nicht.«
Das Ende war sehr seltsam gewesen. Zuerst hatte er solche Wut empfunden, aber dann hatte er ihr verziehen und geglaubt, es könnte weitergehen. Sie hatten sich über ihre Gefühle unterhalten, sie hatten einander ihre Liebe gestanden und den festen Willen gehabt, zusammenzubleiben. Aber sie konnten es beide nicht: Der Vorfall hatte die Beziehung schwer erschüttert, hatte ihr etwas Unabdingbares geraubt. Egal, wie oft sie eina n der einredeten, sie könnten weitermachen – etwas hatte sich grundlegend verändert. Im Inneren war ihre Beziehung tot. Sie stritten häufiger; dadurch gelang es ihnen, die alte Energie noch eine Weile aufzubringen. Aber dann war es eines Tages einfach zu Ende.
»Und als es zu Ende war«, sagte Dorfman, »kamen Sie zu mir und erzählten mir alles.«
»Ja«, sagte Sanders.
»Und warum kamen Sie zu mir und erzählten mir alles? Oder haben Sie auch das ›vergessen‹?«
»Nein, ich weiß es noch. Ich wollte Ihren Rat.«
Er war zu Dorfman gegangen, weil er mit dem Gedanken spielte, aus Cupertino wegzuziehen. Mit Meredith hatte er Schluß gemacht, sein Leben war aus den Fugen, alles war in Unordnung geraten, er wollte einen Neuanfang, anderswo. Deshalb hatte er erwogen, nach Seattle zu ziehen und die Leitung der Advanced Products Group zu übernehmen. Garvin hatte ihm die Stelle eines Tages ganz beiläufig angeboten, und Sanders überlegte sich, ob er sie annehmen sollte. Deshalb hatte er Dorfman um Rat gebeten.
»Sie waren ziemlich außer sich«, sagte Dorfman. »Es war ein unglückliches Ende für eine Liebesgeschichte.«
»Ja.«
»Man könnte also sagen, daß Meredith Johnson der Grund war, weshalb Sie jetzt hier in Seattle sind. Denn ihretwegen änderten Sie Ihre Berufspläne und Ihr ganzes Leben. Sie fingen hier ganz neu an. Und diese Tatsache aus Ihrer Vergangenheit kannten viele Leute. Garvin zum Beispiel. Auch Blackburn wußte darüber Bescheid. Deshalb war er so darauf bedacht, Sie zu fragen, ob Sie auch wirklich mit ihr zusammenarbeiten könnten. Alle machten sich Gedanken darüber, wie es wohl werden würde. Aber Sie haben alle beschwichtigt, Thomas, nicht wahr?«
»Ja.«
»Aber Ihre Beschwichtigungen waren falsch.«
Sanders überlegte. »Ich weiß nicht, Max.«
»Also, bitte! Sie
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