Enthüllung
letzter Minute, Veränderungen im Organisationsplan. Versprochene Posten, verlorene Posten. Wochenlang war alles in der Schw e be. Es ist nicht einfach, zwei Finnen zusammenzulegen – besonders diese beiden, bei denen doch große Unterschiede in der Unternehmenskultur bestehen. Diese Diskrepanzen muß Garvin nun irgendwie beseitigen.« Sie deutete zu dem Tisc h ende, an dem Garvin saß. »Ein Blick genügt«, sagte sie zu Sanders. »Alle Conley-Leute tragen Anzüge, während in unserer Firma kein Mensch einen Anzug anhat, außer den Justitiaren.«
»Die kommen eben von der Ostküste.«
»Das allein ist es nicht. Conley-White präsentiert sich gern als ein Unternehmen der Kommunikationsbranche mit breiter Produktpalette, aber in Wirklichkeit sind sie gar nicht so toll. Der Schwerpunkt ihrer Produktion liegt auf Lehrbüchern. Das ist ein lukratives Geschäft, aber verkauft wird an Schulbehörden in Texas, Ohio und Tennessee, die meistens erzkonservativ sind. Und deshalb ist auch Conley konservativ – aus Instinkt wie aus Erfahrung. Die wollen diese Fusion, weil sie zukunftsträchtige High-Tech-Kapazitäten brauchen. Mit der Vorstellung, daß es sich dabei um ein sehr junges Unternehmen handelt, dessen Angestellte in TShirts und Jeans arbeiten und einander mit dem Vornamen anreden, haben sie sich allerdings noch lange nicht angefreundet. Sie sind schockiert. Und obendrein«, fügte sie mit wieder gesenkter Stimme hinzu, »gibt es innerhalb von Conley-White verschiedene Interessengruppen, und auch damit wird Garvin sich auseinandersetzen müssen.«
»Was für Interessengruppen?«
Stephanie Kaplan machte eine Kopfbewegung zum Tischende hin. »Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß ihr Geschäftsführer nicht da ist. Der große Mann hat uns nicht die Ehre seiner Anwesenheit zuteil werden lassen. Er wird erst Ende der Woche hier aufkreuzen. Bis dahin schickt er nur seine Speichellecker. Der höchstrangige von ihnen ist Ed Nichols, der verantwortliche Finanzmanager.«
Sanders schielte zu dem mißtrauisch dreinblickenden Mann mit den scharfgeschnittenen Zügen hinüber, dem er kurz zuvor die Hand geschüttelt hatte. »Nichols ist dagegen, unsere Firma zu kaufen«, sagte Kaplan. »Er hält uns für zu teuer und für zu wenig leistungsstark. Letztes Jahr begann er eine strategische Allianz mit Microsoft aufzubauen, aber Gates hat ihn zurüc k gepfiffen. Dann versuchte Nichols, InterDisk zu kaufen, aber das klappte nicht – zu viele Probleme, außerdem hatte InterDisk damals eine miese Presse wegen des gefeuerten Angestellten. So sind sie an uns geraten. Aber Ed ist todunglücklich darüber.«
»Ja, glücklich sieht er weiß Gott nicht aus«, bemerkte Sanders.
»Der Hauptgrund dafür ist, daß er das Conley-Baby haßt.«
Neben Nichols saß John Conley, der bebrillte junge Anwalt, mit seinen Mitte 20 wesentlich jünger als die anderen Fü h rungskräfte. Er sprach gerade energisch auf Nichols ein und fuchtelte dabei mit seiner Gabel in der Luft herum.
»Ed Nichols hält Conley für ein Arschloch.«
»Aber Conley ist doch nur ein Vizedirektor«, sagte Sanders. »So viel Macht kann er gar nicht haben.«
Kaplan schüttelte den Kopf. »Sie haben wohl vergessen, daß er der Erbe ist.«
»Na und? Was hat das schon zu bedeuten? Daß ein Bild seines Großvaters an der Wand irgendeines Sitzungssaales hängt?«
»Conley besitzt 4 Prozent der Conley-White-Aktien und kontrolliert weitere 26 Prozent, die sich noch im Besitz seiner Familie beziehungsweise in von der Familie kontrollierten Fonds befinden. John Conley verfügt über die meisten Stim m rechtsaktien.«
»Und John Conley will die Fusion?«
»Ja.« Stephanie Kaplan nickte. »Er hat sich unser Unterne h men zum Ankauf sorgsam ausgesucht. Und er geht schnell zur Sache, wobei ihn Freunde wie Jim Daly von Goldman und Sachs unterstützen. Daly ist sehr klug, aber Investmentbanker holen aus Fusionen immer hohe Honorare raus. Sie werden die übliche Analyse durchführen, das will ich gar nicht anzweifeln. Aber es würde schwierig werden, sie jetzt noch aus dem Geschäft zu drängen.«
»Aha.«
»Nichols hat nun das Gefühl, daß man ihm die Kontrolle über die Übernahme aus der Hand gerissen hat und daß er in ein Geschäft getrieben wird, das um einiges umfangreicher ist, als es sein sollte. Nichols sieht nicht ein, warum Conley-White uns reich machen soll. Wenn er könnte, würde er die Sache sofort rückgängig machen – und wenn es nur wäre, um Conley zu
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