Enthüllung
der Fusion zu tun?«
»Nein.« Sie lächelte. »Mein Sohn hat gerade mit seinem Studium begonnen. Ich komme jetzt öfter her, weil ich ihn besuche.«
»Was studiert er denn?«
»Chemie. Er möchte später in die Kunststoffchemie gehen. Es gibt auf diesem Gebiet offenbar sehr viele Möglichkeiten.«
»Das habe ich auch schon gehört.«
»Die Hälfte von dem, was er mir erzählt hat, verstehe ich überhaupt nicht. Es ist schon seltsam, wenn das eigene Kind mehr weiß als man selbst.«
Sanders nickte und suchte in Gedanken nach weiteren Fragen, die er ihr stellen konnte, aber das war gar nicht so einfach. Obwohl er schon seit Jahren mit Stephanie Kaplan in Bespr e chungen zusammensaß, wußte er nur sehr wenig über ihr Privatleben. Sie war mit einem Volkswirtschaftsprofessor der San José State University verheiratet, einem rundlichen, jovialen Mann mit Schnurrbart. Wenn die beiden zusammen waren, sprach nur er, während Stephanie schweigend neben ihm stand. Sie war eine große, dünne, ungraziöse Frau, die sich mit ihrem mangelnden Talent zur Geselligkeit anscheinend abg e funden hatte. Sie sei eine sehr gute Golferin, hieß es – so gut jedenfalls, daß Garvin nicht mehr mit ihr spielte. Niemanden, der sie kannte, hatte es überrascht, daß sie den Fehler begangen hatte, Garvin zu oft zu besiegen; irgendwelche Witzbolde hatten sogar einmal behauptet, sie sei einfach zu wenig Verliererin, um jemals weiter befördert zu werden.
Garvin konnte sie im Grunde nicht leiden, aber es fiel ihm nicht im Traum ein, sie gehen zu lassen. Das Engagement, mit dem diese blasse, humorlose, unermüdliche Frau dem Unte r nehmen diente, war bereits legendär. Sie machte jeden Tag Überstunden und kam auch an den meisten Wochenenden ins Büro. Selbst als sie einige Jahre zuvor an einem Krebsleiden erkrankt war, hatte sie sich geweigert, der Arbeit auch nur einen einzigen Tag lang fernzubleiben. Von der Krankheit war sie offenbar geheilt; jedenfalls hatte Sanders nie wieder etwas darüber gehört. Jene Episode schien Stephanie Kaplans sch o nungslose Hingabe an ihr unpersönliches Arbeitsgebiet – Zahlen und Tabellen – sowie ihre natürliche Neigung, hinter den Kulissen zu agieren, noch verstärkt zu haben. Schon mehr als nur ein Manager war morgens zur Arbeit erschienen und hatte sich der Tatsache gegenübergesehen, daß seinem Liebling s projekt durch den »heimlichen Bomber« der Todesstoß versetzt worden war, ohne daß er die geringste Erklärung dafür vorfand, warum und wie es dazu hatte kommen können. Kaplans Te n denz, sich in Gesellschaft abseits zu halten, spiegelte daher nicht nur ihr eigenes Unbehagen wider, sondern erinnerte auch ständig daran, welche Macht sie innerhalb der Firma innehatte und wie sie diese Macht handhabte. Auf ihre Art war sie sehr mysteriös – und stellte eine potentielle Gefahr dar.
Während Sanders noch nach weiteren Gesprächsthemen suchte, begann Kaplan auf ihrem Stuhl herumzurutschen, senkte die Stimme und beugte sich verschwörerisch zu ihm hinüber. »Bei der Besprechung heute morgen haben mir irgendwie die Worte gefehlt, Tom … Aber ich hoffe, daß Sie einigermaßen zurechtkommen … mit dieser neuerlichen Umstrukturierung.«
Sanders verbarg sein Erstaunen. In zwölf langen Jahren hatte sie ihm kein einziges Mal etwas so offen Persönliches gesagt. Er fragte sich, warum sie es wohl jetzt tat. Sofort kam Argwohn in ihm auf; er wußte nicht recht, wie er reagieren sollte.
»Na ja, ein Schock war es schon«, sagte er.
Sie ließ ihren Blick unverwandt auf ihm ruhen. »Es war für viele von uns ein Schock«, sagte sie leise. »In Cupertino gab es fast einen Aufstand. Viele haben Garvins Urteilsvermögen ernsthaft angezweifelt.«
Sanders runzelte die Stirn. Stephanie Kaplan pflegte sich über Garvin nie auch nur indirekt kritisch zu äußern. Niemals. Und jetzt das! Wollte sie ihn auf die Probe stellen? Schweigend stocherte er in seinem Essen herum.
»Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen diese neue Ernennung Unbehagen bereitet …«, fuhr sie fort.
»Aber nur, weil sie so unerwartet kam – wie ein Blitz aus heiterem Himmel.«
Kaplan warf ihm einen sonderbaren Blick zu, der zu sagen schien, daß sie von ihm enttäuscht war. Aber dann nickte sie. »So ist das immer bei Fusionen«, erklärte sie in eher förmlichem Ton, weniger vertraulich als noch Sekunden zuvor. »Ich arbeitete bei CompuSoft, als die Firma mit Symantec fusi o nierte, und es lief ganz genauso ab: Ankündigungen in
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