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Enthüllung

Enthüllung

Titel: Enthüllung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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tagsroutine, haftete den Vorfällen der vergangenen Stunde bereits etwas Unwirkliches an. Sanders konnte kaum mehr glauben, daß dies alles tatsächlich geschehen war. An welchem Punkt hatte er einen Fehler gemacht? Er war überzeugt, selbst an allem schuld zu sein, Meredith einen falschen Eindruck ve r mittelt zu haben. Andernfalls, so dachte er, hätte sie sich niemals an ihn herangemacht. Die ganze Episode war ihm entsetzlich peinlich, und ihr wahrscheinlich ebenso. Er fühlte sich schuldig und elend – und zutiefst verunsichert, was die Zukunft anging. Was würde jetzt geschehen? Was würde sie tun?
    Er hatte nicht die geringste Ahnung. In diesem Augenblick wurde ihm klar, daß er sie überhaupt nicht kannte. Sie waren einmal Liebende gewesen, aber das lag weit zurück. Jetzt war sie ein anderer Mensch, ein Mensch mit einer neuen Veran t wortung. Für ihn war sie eine Fremde.
    Obwohl der Abend mild war, fröstelte ihn. Er ging in den Innenraum der Fähre zurück, setzte sich und nahm sein Telefon heraus, um Susan anzurufen. Er drückte die Tasten, aber das Lämpchen leuchtete nicht auf. Die Batterie war leer. Das verwirrte ihn; eigentlich sollte sie einen ganzen Tag lang halten. Aber sie war leer.
    Der krönende Abschluß dieses Tages.

    D ie Schiffsmotoren hämmerten. Tom Sanders stand in der Toilette der Fähre und betrachtete sich im Spiegel. Sein Haar war zerzaust; die Lippen waren von verschmiertem Lippenstift gerötet, einen weiteren Fleck entdeckte er auf seinem Hals; an seinem Hemd fehlten zwei Knöpfe, Hemd und Hose waren zerknittert. Er sah aus, als hätte er gerade eine scharfe Nummer geschoben. Er drehte den Kopf, um sein Ohr zu begutachten. An der Stelle, wo sie ihn gebissen hatte, befand sich ein kurzer dunkler Streifen verkrusteten Blutes. Er knöpfte das Hemd auf und betrachtete die dunkelroten Kratzspuren, die sich in parallel verlaufenden Reihen längs über seinen Oberkörper zogen.
    Mein Gott!
    Wie konnte er verhindern, daß Susan das sah?
    Er befeuchtete Papiertücher und schrubbte den Lippenstift ab, strich sich das Haar glatt und knöpfte das Jackett zu, so daß der größte Teil des Hemds verdeckt war. Dann ging er wieder hinaus, setzte sich auf einen Stuhl am Fenster und starrte ins Leere.
    »Hi, Tom!«
    Er hob den Blick. Es war John Perry, sein Nachbar auf Bainbridge. Perry war Rechtsanwalt bei Marlin und Howard, einer der ältesten Sozietäten in Seattle, und gehörte zu den Menschen, die permanent unbändig gut gelaunt sind. Sanders hatte keine Lust, mit ihm zu reden, aber Perry hatte sich schon in dem Stuhl gegenüber niedergelassen.
    »Wie geht’s, wie steht’s?« fragte er fröhlich.
    »Recht gut«, antwortete Sanders.
    »Also, ich habe einen tollen Tag hinter mir!«
    »Schön für Sie.«
    »Einfach toll «, fuhr Perry fort. »Wir hatten eine Verhandlung, und ich sage Ihnen, wir haben den Gegner in der Luft zerrissen.«
    »Super«, sagte Sanders und starrte unverwandt aus dem Fenster in der Hoffnung, Perry würde die Andeutung verstehen und sich davonmachen.
    Perry blieb. »Tja, und dabei war es ein verdammt kniffliger Fall. Alles sprach gegen uns. Ein Fall erzwungener Kündigung durch den Arbeitnehmer«, erklärte er. »Artikel VII, Federal Court. Die Klientin – sie arbeitete bei MicroTech – behauptete, sie sei nicht befördert worden, weil sie eine Frau ist. Keine besonders günstige Ausgangslage, wenn ich ehrlich sein soll. Sie trank nämlich und so weiter. Es gab Probleme mit ihr. Aber wir haben da ein Mädel in unserer Sozietät, Louise Fernandez, eine Latina, die ist geradezu tödlich bei solchen Diskrimini e rungsfällen. Einfach tödlich . Hat die Jury glatt dazu gebracht, unserer Klientin fast eine halbe Million zuzusprechen. Diese Fernandez ist eine Virtuosin in Sachen Präzedenzrecht, das kann ich Ihnen sagen! 14 ihrer letzten 16 Fälle hat sie gewonnen. Die gibt sich so sanft und zurückhaltend – und innen drin ist sie das reinste Eis . Ich sage Ihnen, manchmal machen mir Frauen direkt angst.«
    Sanders erwiderte nichts.

    D as Haus war still, als er heimkam. Die Kinder schliefen schon; Susan brachte sie immer früh ins Bett. Er ging hinauf. Seine Frau saß im Bett und las; Gerichtsakten und andere Papiere waren über die Decken verstreut. Als sie ihn sah, stand sie auf und ging ihm entgegen, um ihn zu umarmen. Unwil l kürlich zuckte er zurück.
    »Tut mir wirklich leid, Tom«, sagte sie, »das mit heute mo r gen. Und natürlich tut mir sehr leid, was da in der

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