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Enthüllung

Enthüllung

Titel: Enthüllung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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ja?«
    »Ja doch. Weil Sex nun mal etwas Fundamentales ist, ein Elementartrieb.«
    »Ich wüßte nicht, warum. Sex wird doch für alle möglichen Zwecke eingesetzt. Um Beziehungen zu knüpfen, um den anderen günstig zu stimmen, um zu provozieren, als Angebot, als Waffe, als Drohung. Der Einsatz von Sexualität kann ziemlich komplex sein. Haben Sie diese Erfahrung noch nie gemacht?«
    Die junge Frau verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich glaube nicht.«
    Jetzt ergriff der junge Mann das Wort und sagte: »Und was haben Sie dem Knaben geraten? Nicht zu klagen?«
    »Nein. Aber ich habe ihm alle Probleme genannt, die auf ihn zukommen würden.«
    »Was sollte er Ihrer Meinung nach tun?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Louise Fernandez. »Aber ich weiß, was er hätte tun sollen.«
    »Was denn?«
    »Es klingt schrecklich. Aber in dieser Welt, wie sie nun mal ist, ohne Zeugen, ganz allein mit seiner Chefin im Büro?
    Wahrscheinlich hätte er die Tür absperren und seine Chefin einfach bumsen sollen. Im Augenblick hat der arme Kerl nämlich nicht die geringsten Erfolgsaussichten. Wenn er nicht aufpaßt, ist sein Leben gelaufen.«

    S anders trottete den Hügel zum Pioneer Square hinunter. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Nachmittag blieb feucht und grau. Das nasse Gehsteigpflaster unter seinen Füßen führte steil bergab. Die Spitzen der Wolkenkratzer um ihn herum ve r schwanden im tiefhängenden kühlen Dunst.
    Er wußte nicht genau, was er gehofft hatte, von Louise Fe r nandez zu hören, aber ganz bestimmt nicht eine Ansammlung von Hiobsbotschaften, wie daß er gefeuert werden würde, sein Haus beleihen müßte, in den Zeitungen stünde und nie mehr arbeiten dürfte.
    Sanders fühlte sich von der plötzlichen Wende, die sein Leben genommen hatte, und dem Bewußtsein, daß seine Existenz bedroht war, völlig überrumpelt. Noch vor zwei Tagen war er ein angesehener leitender Angestellter mit einer sicheren Stellung und vielversprechender Zukunft gewesen. Jetzt sah er sich mit Schande, Demütigung und dem Verlust des Arbeit s platzes konfrontiert. Es gab nicht die mindeste Sicherheit mehr.
    Er dachte über all die Fragen nach, die Fernandez ihm gestellt hatte – Fragen, auf die er selbst nie gekommen wäre. Warum er niemandem von der Sache erzählt habe. Warum er sich keine Notizen gemacht habe. Warum er Meredith nicht klar und deutlich gesagt habe, daß ihre Avancen unerwünscht seien. Fernandez bewegte sich in einer Welt der Regeln und Unte r scheidungen, die er nicht verstand, die ihm nie in den Sinn gekommen waren. Und jetzt erwiesen sich diese Untersche i dungen als lebenswichtig.
    Ihre Aussichten stehen nicht gut, Mr. Sanders.
    Aber wie hätte er das alles verhindern sollen? Was hätte er anders machen sollen? Er ging in Gedanken noch einmal alle Möglichkeiten durch.
    Angenommen, er hätte Blackburn gleich nach dem Treffen mit Meredith angerufen und ihm in allen Einzelheiten erzählt, daß Meredith ihn belästigt hatte. Er hätte das Telefongespräch von der Fähre aus führen und ihr mit seiner Beschwerde zuvorkommen können. Wäre dann alles anders gekommen? Was hätte Blackburn dann getan?
    Er schüttelte den Kopf. Nein, es erschien ihm unwahrschei n lich, daß ein solches Verhalten seinerseits irgend etwas an der Sache geändert hätte. Denn letzten Endes war Meredith in die Machtstruktur des Unternehmens weit stärker eingebunden als er. Meredith gehörte mit Haut und Haaren zum Unternehmen, sie hatte Macht, und sie hatte Verbündete. Das war die Lehre – die allem anderen zugrunde liegende Lehre –, die er aus dieser Situation ziehen mußte. Sanders zählte überhaupt nicht. Er war nur ein Kerl von der Technik, ein kleines Rädchen im großen Firmengetriebe. Seine Aufgabe bestand darin, mit seiner neuen Chefin klarzukommen, und das war ihm nicht gelungen. Was immer er jetzt tat, es lief alles nur auf großes Gejammere hinaus. Oder, noch schlimmer: darauf, die Chefin zu verpfeifen, zu denunzieren. Und Denunzianten kann niemand leiden.
    Was also hätte er tun sollen?
    Während er so grübelte, fiel ihm ein, daß er Blackburn gleich nach dem Treffen mit Meredith gar nicht hätte anrufen können: Sein Mobiltelefon hatte nicht mehr funktioniert, die Batterie war leer gewesen.
    Plötzlich sah er in Gedanken ein Auto vor sich. Ein Mann und eine Frau in einem Auto. Sie fahren zu einer Party. Irgend jemand hatte ihm einmal etwas erzählt … eine Geschichte über Leute in einem Auto.
    Es lag ihm auf

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