Enthüllung
eindringlich und rührte dabei hektisch mit dem Löffel in ihrem Kaffee. »Sagst du mir die Wahrheit?«
»Ja.«
»Verschweigst du mir auch nichts? Läßt du nicht vielleicht ein paar lästige Stellen weg?«
»Nein. Nichts.«
»Warum beschuldigt sie dich dann?«
»Wie meinst du das?« fragte er.
»Ich meine, es muß doch einen Grund geben, warum sie dich beschuldigt. Irgend etwas mußt du doch getan haben.«
»Ja – ich habe ihr einen Korb gegeben.«
»Ah ja. Na klar.« Sie sah ihn wütend an. »Weißt du, Tom, hier geht es nicht nur um dich. Hier geht es um deine ganze Familie: um mich und um die Kinder.«
»Ich weiß.«
»Warum hast du es mir nicht erzählt? Wenn du es mir gestern abend erzählt hättest, hätte ich dir helfen können.«
»Dann hilf mir jetzt.«
»Tja, der Zug dürfte abgefahren sein«, sagte Susan mit deu t licher Häme. »Sie war vor dir bei Blackburn, sie hat ihre Beschuldigung als erste angebracht – und du bist jetzt geliefert.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Glaub mir, du hast keine Chance mehr«, sagte Susan. »Wenn du vor Gericht ziehst, wird es mindestens drei Jahre lang die Hölle sein, und ich persönlich halte es für ausgeschlossen, daß du gewinnst. Ein Mann, der gegen eine Frau Anzeige wegen sexueller Belästigung erstattet – die lachen dich doch aus!«
»Kann schon sein.«
»Glaub mir, die lachen dich aus. Vor Gericht kannst du also nicht gehen. Was bleibt dir sonst noch? Nach Austin ziehen … Mein Gott!«
»Ich denke schon die ganze Zeit darüber nach«, sagte Sanders. »Sie beschuldigt mich der sexuellen Belästigung, aber sie erstattet keine Anzeige gegen mich. Und ich denke die ganze Zeit: Warum zeigt sie mich nicht an?«
»Ist doch scheißegal!« sagte Susan mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Dafür kann es Millionen von Gründen geben. Betriebspolitik beispielsweise, oder Phil hat es ihr ausgeredet. Oder Garvin. Ist doch völlig gleichgültig. Tom, du mußt den Tatsachen ins Auge sehen: Du hast keine Chance. Jedenfalls jetzt nicht mehr, du Riesenidiot.«
»Susan, würdest du dich bitte wieder beruhigen!«
»Du bist ein Scheißkerl, Tom. Du bist unehrlich und ohne jedes Verantwortungsbewußtsein.«
»Susan –«
»Wir sind nun schon fünf Jahre verheiratet. Ich habe etwas Besseres verdient.«
»Wirst du dich jetzt beruhigen! Ich versuche dir doch etwas klarzumachen: Ich glaube, daß ich sehr wohl eine Chance habe.«
»Du hast keine, Tom!«
»Ich denke, doch. Es handelt sich nämlich um eine sehr g e fährliche Situation. Gefährlich für alle.«
»Was soll das heißen?«
»Gehen wir mal davon aus, daß Louise Fernandez mir die Wahrheit über meinen Prozeß erzählt hat.«
»Sie hat dir die Wahrheit erzählt. Sie ist eine gute Anwältin.«
»Aber sie hat die Sache nicht vom Standpunkt der Firma aus betrachtet, sondern ausschließlich vom Standpunkt des Klägers aus.«
»Was sonst – du bist nun mal der Kläger.«
»Nein, bin ich nicht«, widersprach Sanders. »Ich bin ein potentieller Kläger.«
Susan erwiderte nichts. Beide schwiegen eine Weile.
Susan sah ihn stirnrunzelnd an. Ihre Blicke wanderten über sein Gesicht. Er konnte beobachten, wie sie sich alles zusa m menreimte. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Doch.«
»Du mußt völlig verrückt geworden sein.«
»Nein. Sieh dir mal die Situation genau an: DigiCom befindet sich mitten in einer Fusion mit einem sehr konservativen Unternehmen von der Ostküste – mit einem Unternehmen, das sich schon einmal aus einer Fusion zurückgezogen hat, weil ein kleineres Vergehen eines Angestellten publik geworden war. Dieser Angestellte soll sich einer etwas rüden Sprache befleißigt haben, als er eine Sekretärin rausschmiß – und wegen so einer Kleinigkeit nahm Conley-White das Fusionsvorhaben zurück. Die sind unglaublich etepetete, wenn es um die Öffentlichkeit geht. Und das bedeutet: Das letzte, was DigiCom im Augenblick brauchen kann, ist ein Prozeß, in dem die neue stellvertretende Direktorin der sexuellen Belästigung angeklagt ist.«
»Weißt du, was du da sagst, Tom?«
»Ja.«
»Wenn du das machst, rasten die voll aus. Die werden alles unternehmen, um dich in die Pfanne zu hauen.«
»Ich weiß.«
»Hast du mit Max darüber gesprochen? Vielleicht solltest du das tun.«
»Scheiß auf Max! Der ist ein verrückter alter Mann.«
»Ich würde ihn fragen. In diesen Dingen bist du nämlich nicht besonders gut, Tom. Du warst noch nie eine Kämpfernatur. Ich bin mir
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