Enthuellungen eines Familienvaters
die illustre Mitbewohnerin uns mit ihrem Besuch beehrte; dadurch erhielt die Angelegenheit einen besonders feierlichen Anstrich.
Der Gast wurde im Salon-Speisezimmer-Arbeitszimmer-Wohnzimmer von allen Hoheitsträgern des Heims empfangen; hierauf zog ich mich in die Küche zurück, um mir dort gemeinsam mit der Schreibmaschine eines jener einzigartigen Feuilletons herauszuquälen, die mir Brot und Geringschätzung eintragen.
Das Hämmern der genialen Maschine schien die Dame vom ersten Stock zu überraschen.
„Hagelt es?“ hörte ich sie fragen.
„Nein, er schreibt auf der Maschine“, erläuterte Margherita.
Die Dame vom ersten Stock fand Worte des Verständnisses: „Der Ärmste! Statt zu Bett zu gehen, muß er sich mit dem Abschreiben von Briefen und Verträgen die Augen ruinieren. Nur, um dreißig Centesimi pro Blatt zu verdienen!“
Die liebenswürdige Genossin meines Haushalts erklärte, daß ich nicht gerade Kopierarbeiten mache, sondern Sachen für die Veröffentlichung in den Zeitungen schreibe.
Die Dame vom ersten Stock hieß das gut.
„Sehr gut! Ich lese immer die Leserzuschriften in der Sonntagsbeilage. Teilen Sie mir’s mit, wenn eine von Ihrem Gatten erscheint. — Man soll dreißig Lire für eine Zuschrift bekommen. Das sind immerhin dreißig Lire. Und wenn man sechs im Jahr anbringt, gibt has immerhin fünfzehn Lire im Monat, mit denen man etwas zum Anziehen für Sie, einen Hut für Ihren Mann, ein Möbelstück für den Salon kaufen kann. Übrigens, Sie haben wirklich einen netten kleinen Salon.“
Hierzu muß bemerkt werden, daß unser Salon-Speise-Arbeits-Wohnzimmer mehr ein Magazin als ein Wohnzimmer ist. Mit seinen Möbeln, Lehnstühlen, Bildern, Vorhängen, Lampenständern und Teppichen könnte man spielend drei weitere Zimmer einrichten. Es gibt kein freies Stückchen Wand, und ich denke schon seit einiger Zeit daran, meine neuen Bilder an der Zimmerdecke aufzuhängen.
In diesem Augenblick protestierten aus ihrer entfernten Wiege die wenigen Monate unserer winzigen zweibeinigen Maschine mit lauter Stimme.
„Die Katze?“ fragte die Dame vom ersten Stock.
„Nein, das Kind“, klärte die Frau auf, die meinen ledigen Stand überwunden hat.
Nun muß ich gestehen, daß unser Viertel mindestens zweimal täglich einer Hölle gleicht. Es sind mir deshalb schon Beschwerden zugegangen; aber was kann ich dafür, daß unser Dienstmädchen Carlona eher einer Nähmaschine als einem weiblichen Wesen ähnlich sieht? Es ist nur logisch, daß aus allen Nachbarbezirken die Bäckerjungen und Kastanienverkäufer schreiend angelaufen kommen, wenn Carlona sich auf der Straße blicken läßt.
Diese Carlona trat nun, durch die Klingel gerufen, in den Speisearbeitswohnsalon, und die Dame vom ersten Stock rief aus: „Liebe gnädige Frau! Warum haben Sie mir nie erzählt, daß Sie eine Schwester haben?!“
Die süße Gefährtin meiner Mittage erklärte ihr, daß dieses sonderbare Geschöpf keine Schwester, sondern ein Dienstmädchen sei. „Auffallende Ähnlichkeit!“ meinte die Dame vom ersten Stock. Dann kam, von Carlona hereingebracht, unser gemeinsames Produkt. „Süß!“ rief die Dame vom ersten Stock. „Wie alt ist er? Zwei Tage?“
„Nein, fast elf Monate“, gestand Albertinos Urheberin. Und die Dame vom ersten Stock erklärte, sie hätte nie Kinder haben wollen, denn wenn sie männlichen Geschlechts sind, enden sie im Gefängnis, wenn weiblichen... na, sprechen wir nicht darüber!
Dann begann die wahre und eigentliche Zeremonie. Die Dame vom ersten Stock begann über die Hausbesorgerin zu sprechen.
„Die Hausbesorgerin“, versicherte sie, „ist das schlimmste Stück, das man finden kann. Sie hat nur zwei Hemden, und die sind schmutzig, einen stupiden Sohn und eine räudige Katze. Sie säuft wie ein Loch und schuldet dem Bäcker siebenundfünfzig Lire.“ Den ersten Stock überspringend, weil sie selbst dort wohnt, stellte die Dame sodann eingehende Betrachtungen über die Bewohnerin des zweiten Stocks an. Sie frischte eine sonderbare Geschichte auf, in die ein Friseur verwickelt war, sprach von einem Sohn, der dreimal durchgefallen ist, von einem Gatten, der wegen Unterschlagungen entlassen wurde. Sie berichtete auch von einer zweideutigen Schwester und von einem auf Raten abgezahlten Photoapparat. Über die Dame vom dritten Stock hat sie interessante Dinge in Erfahrung gebracht. Vor allem färbt sie sich die Haare; dann hat sie drei falsche Zähne, und die Zahnarztrechnung dafür
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