Enthuellungen eines Familienvaters
Villa Bibibi. Vor einer Stunde haben wir zufällig eine ausländische Radiostation gehört. Gigi radebrecht ein bißchen — Englisch und hat alles verstanden; sie haben gesagt, unser Eintritt in den Krieg sei nunmehr sicher! Ich bin auf und davon — ich habe mir nicht einmal Zeit genommen, um eine Tasse Suppe zu trinken. Jetzt laufe ich; ich muß meine Freunde benachrichtigen.“ Giuseppe ging fort, nachdem er mich ermahnt hatte, verschwiegen zu sein; und Margherita schaute mir sehr besorgt in die Augen. „Das ist schrecklich, Giovannino!“ rief sie endlich, mit dem Ausdruck der düstersten Verzweiflung im Gesicht. „Es ist Krieg.“
Ich sprach mit äußerster Sanftmut: „Margherita, versuche, bitte, mir möglichst objektiv zuzuhören. Du hast heute, am 10. Juni 1940, hier, in diesem Lehnstuhl sitzend, die historische Radiorede gehört, mit der der Welt unser Eintreten in den Krieg verkündet wurde. Du hast die Rede gelesen, als uns das Mädchen die Extraausgabe des ,Ambrosiano’ gebracht hatte. Bis vor zehn Minuten hat dir der Krieg keine Sorgen gemacht. Da kommt Giuseppe, sagt dir das, was du seit fast sechs Stunden sehr gut wußtest, und nun macht dir der Krieg Sorgen. Warum, Margherita? Sind vielleicht zwei Frauen in dir? Eine offizielle und eine offiziöse? Bist du ein Geschöpf, das zugleich aus Ja und Nein besteht? Oder ist der Krieg, von dem vor einigen Stunden gesprochen wurde, nicht derselbe wie der, von dem Giuseppe gesprochen hat? Gibt es für dich zwei Kriege? Genügt einer nicht?“
Das süße Geschöpf, das Gott auf meinen Weg gestreut hat, schüttelte leise den Kopf. „Im Radio oder in den Zeitungen ist der Krieg etwas anderes, als wenn Giuseppe davon erzählt. Giovannino, was wird aus uns werden?“
Margherita ging, die schlafenden Augen ihres Sprößlings zu betrachten, und ich blieb lange in meinem Arbeitszimmer, um nachzudenken.
Am nächsten Tag verstaute ich um 15 Uhr 30 in einem Abteil zweiter Klasse: eine Margherita, einen Sohn, vier normale Reisetaschen und eine riesige leere Reisetasche.
Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt, erklärte mir Margherita mit leiser Stimme das Geheimnis der leeren Reisetasche.
„Ich habe dich nicht aus Launenhaftigkeit gebeten, sie zu kaufen, und eine Reisetasche gehört auch nicht zu den Dingen, die die Eitelkeit einer Frau reizen. Ich wollte sie nur mitnehmen, weil es auf dem Land noch alles gibt; ich werde sie bei meiner Rückkehr mit allen guten Gaben Gottes angefüllt zurückbringen.“
Ich billigte Margheritas Projekt. Im Geist aber schrieb ich auf die Seite meines Rechnungsbuches, die für unnütze Ausgaben reserviert ist: „Große Reisetasche einhundertzwanzig Lire.“
Die letzte Eintragung war noch ganz frisch.
Es war genau der 31. Mai, als Margherita sehr ernst zu mir sagte: „Giovannino, von morgen an ist die Seife rationiert. Es wäre eine Dummheit, diesen letzten Tag des freien Verkaufs nicht auszunützen. Machen wir uns also auf den Weg, jeder für sich. Zehn Stück Seife treibst du auf, zwanzig ich, und alles ist in Ordnung.“ Kurz darauf gingen wir fort, jeder für sich.
Ich hasse Verlegenheiten, besonders wenn ich es bin, der in Verlegenheit kommt.
Ich dachte, daß wohl Tausende von Leuten dieselben Erwägungen angestellt haben dürften wie die sympathische Frau, die ihren Vornamen und meinen Zunamen führt.
Ich legte mir also schnell eine schrittweise, indirekte Methode zurecht, betrat einen Laden und verlangte zunächst etwas ohne den geringsten Zusammenhang mit Seife oder mit Reinigung überhaupt. „Ich möchte eine Dose Erdbeermarmelade.“
Für den Anfang ging es wirklich prächtig. Ich verlangte hierauf ein Paket Biskuit, ein Glas Honig, dann ein Päckchen Kaffeezusatz, ein Knäuel Bindfaden, eine Dose Dörrpflaumen, zwei Dosen Schuhwichse, eine Wäschebürste. Das Manöver der Einkreisung war begonnen. Ich verlangte nun eine Zahnbürste, ein Kilo Soda, eine Flasche Fleckwasser und eine Tube Rasiercreme. Damit war die Aktion großartig vorbereitet; es handelte sich nun nur noch darum, taktisch auszunützen, was strategisch erreicht worden war. Ich nahm daher eine nachdenkliche Miene an und murmelte: „Ich wollte doch noch irgend etwas... Wenn ich mich bloß erinnern könnte !... Macht nichts, ich werde wieder einmal vorbeikommen...“ Dann, während der Verkäufer die Rechnung machte, rief ich befriedigt aus: „Jetzt hab’ ich’s! Ich würde noch ein wenig Seife brauchen.“
„Tut mir leid, wir haben
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