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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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Sache bedeutungslos, aber die kleinen Leute beeindruckt es.“

    September 1939. Es ist schön, ohne den Alpdruck der Autos durch Mailand zu schlendern. Es fahren nur Fahrräder herum.
    Fahrräder, Fahrräder.
    Das Fahrrad ist lebenswichtig geworden. Auch Margherita ist draufgekommen, daß sie ohne Fahrrad nicht leben kann, und das hat seine Komplikationen. Denn wenn das Fahrrad für einen Mann einfach aus einem Fahrrad besteht, setzt es sich für eine Frau zusammen aus: einem Hosenrock, einem Paar Strümpfe, einem Paar Socken, einem Pullover mit langen Ärmeln, einem Pullover mit kurzen Ärmeln und einem Pullover ohne Ärmel, Leder-, Zwirn- und Wollhandschuhen, je einer Stoff-, Woll- und Regenjacke, Tuchmütze, Zelluloidschirm, schwarzen, grünen und blauen Brillen, dreierlei Sandalen, Umhängetasche, gelbem, blauem oder grünem geflochtenem Körbchen zum Anhängen an der Lenkstange, drei Kleidern in lebhaften Farben mit dazupassenden Strohhüten und Seidentüchern, einer Regenhaut mit Kapuze, einer Satteltasche aus Tuch und einem Fahrrad.
    Der Mann fährt nicht mit dem Fahrrad, weil es Mode ist, sondern weil es ihn verdrießt, zu Fuß zu gehen. Aber wenn selbst ein Mann mit der Mode geht, ist das Radfahren nur um ein klein wenig komplizierter als für den Durchschnittsmann: es kommen nur die kurzen Hosen und einige Pullover dazu.
    Bei Brautpaaren ist das schon ganz anders. Jedes Brautpaar besteht aus einem Mann, einer Frau und einem Tandem; zwei Seelen und ein Fahrrad. Und obwohl sie auf dem hinteren Sattel sitzt, ist die Frau tonangebend in jenem Zweigespann, das die Mädchenherzen in den Vorstädten höher schlagen und die Mütter ausrufen läßt: „Seht nur, wie nett sie zusammenpassen!“
    Sie hat ein graues Kleid, und er hat graue Hosen, sie hat einen grün-gelben Pullover, und er hat einen grün-gelben Pullover, sie hat ein blaues Hütchen und er eine blaue Mütze, gleich sind die Handschuhe, die Farbe der Schuhe, die Farbe der Brillen... und das macht aus dem Tandem und den beiden jungen Leuten ein kompaktes, unteilbares und harmonisches Ganzes, und man versteht, was es bedeutet, wenn man ein Mädchen mit gelb-grünem Pullover hinter einem Jüngling in rot-blauem Pullover die Pedale treten und das Mädchen mit dem rot-blauen Pullover hinter einem Jüngling mit gelb-grünem Pullover radeln sieht. Denn auch auf dem Tandem ist es viel leichter, den Verlobten zu erneuern als die Garderobe. Manchmal freilich geschieht es, daß der Jüngling im rot-blauen Pullover allein auf seinem Tandem radelt; der Platz hinten ist leer. Und das ist bitter; denn wenn es auch leicht ist, zwei Schicksale zu trennen, so ist es doch unmöglich, ein Tandem zu teilen. Und so zieht denn der Jüngling ein halbes Fahrrad voll unnützer, schwermütiger Erinnerungen hinter sich her, während das Mädchen zu Fuß auf dem Asphalt einer vergangenen Zeit dahingeht.
    Mailand ist voller Fahrräder.
    Auch Margherita ist draufgekommen, daß sie ohne Fahrrad nicht leben kann.
    Ich habe ihr ein Fahrrad gekauft. „Komplett mit Zubehör.“ Ein Vermögen.
    „Margherita, nun ist alles soweit. Wollen wir am Sonntag einen Ausflug machen?“
    „Es ist jetzt nicht der Moment, seine Zeit mit Radfahrenlernen zu vertun“, antwortet die Gefährtin meines wehmütigen Herbstes. Und ihre großen Augen sagen mir: „Giovannino, Giovannino...“

Der Strohwitwer

    Es sind jetzt gerade drei Monate vergangen seit dem Abend, an dem Freund Giuseppe atemlos ins Zimmer trat. Vorher hatte er angerufen. Es fehlte eine halbe Stunde auf Mitternacht.
    „Warte auf mich; halte die Flurtür und die Tür deines Arbeitszimmers offen. Ich habe keine Zeit zu verlieren!“
    Der Ton von Giuseppes Worten war eigentümlich feierlich. Wir hielten die Türen weit offen. Das Zimmermädchen postierte sich vor dem Kleiderhaken und hielt die Arme schon ausgestreckt, um den Hut zu ergreifen. Ich zog in Gedanken eine Linie, die durch die beiden Türen ging, und stellte an ihrem Ende einen Lehnstuhl auf, damit sich Giuseppe in möglichst kurzer Zeit hinsetzen könne. Ich trat hinter den Lehnstuhl, damit er nicht rutsche. Margherita Placierte sich seitlich davon mit einem Glas frischer Orangeade. Nach einer Viertelstunde kam Giuseppe angerannt. Hut, Lehnstuhl, Orangeade.
    Nachdem er die Ruhe in seinen Atmungsorganen einigermaßen wiederhergestellt hatte, bedeutete uns Giuseppe, Türen und Fenster zu schließen, und sprach leise, mit äußerster Vorsicht: „Ich komme eben im Auto von der

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