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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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warten.“ Die süße Frau, die meine Jünglingsjahre durchstrahlt hatte, löste das Problem: „Du wartest hier, und ich fahre.“
    Als die treffliche Wiedererlangerin Albertinos abgereist war, kam gegen fünf Uhr morgens mein Vater. „Also jetzt ist Schluß!“ rief der tüchtige Mann. „Ist deine Mutter hier bei dir, oder ist sie beim Kind? Bist du hier in Mailand, oder bist du beim Kind? Ist deine Gattin bei deiner Mutter, oder ist sie mit dem Kind hier? Wo ist deine Mutter? Und wo bist du? Und wo bin ich?“
    Ich schüttelte betrübt den Kopf. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich. Der hervorragende Mann blieb lange gedankenvoll, dann entschloß er sich. „Wenn die Dinge so stehen“, sagte er Abschied nehmend, „ist es besser, ich fahre nach Verona. Und wohin fährst du?“
    „Nach Bergamo“, sagte ich.
    Ich reiste endlich einmal allein, kinderlos!
    Ich hatte einen Fensterplatz gefunden. Als der Zug sich zu bewegen begann, zwängte sich eine junge hübsche Frau durch die Menge auf dem Bahnsteig und klopfte mit dem Finger an mein Fenster. Ich ließ das Fenster hinunter.
    „Entschuldigen Sie, sind Sie der Herr Soundso?“ fragte sie mich. Und ich antwortete, daß ich dieser sei.
    „Fahren Sie auch nach Mailand?“ fragte sie.
    „Ja, gnädige Frau, ich fahre nach Mailand.“
    „Ist in Ihrem Abteil ein Plätzchen frei?“
    „Ja, gnädige Frau.“
    „Glänzende Gelegenheit“, frohlockte die Frau. „Helfen Sie, bitte!“ Sie hielt mir ein Paket hinauf, ich ergriff es und legte es auf den Sitz. Der Zug war bereits angefahren, und es war logisch, daß die Frau, um einsteigen zu können, sich von ihrem Gepäck befreite. Aber der Zug bewegte sich bereits, und die Frau stand immer noch ruhig auf dem Bahnsteig. Und sie lächelte und grüßte und schwenkte das Taschentuch.
    Ich beugte mich aus dem Fenster, machte ihr ein Zeichen, sie solle sich beeilen.
    „Nein“, rief sie, „ich bleibe hier!“
    „Und das Paket?“
    „Auf dem Bahnhof von Mailand werden Sie eine Person treffen, die beauftragt ist, es abzuholen. Ich telephoniere sofort nach Mailand. Machen Sie sich keine Sorgen. Äußerstenfalls geben Sie’s in die Gepäckaufbewahrung.“
    Ich zog mich zurück, sehr verärgert und von dem lebhaften Verlangen erfüllt, das Paket zum Fenster hinauszuwerfen. Aber ich wurde mir sofort der Unmöglichkeit einer so rebellischen Geste bewußt; die Unverschämte kannte mich ja, sie würde telephonieren und erklären, das Paket sei mir anvertraut worden. Ich konnte nicht Gefahr laufen, dann in den Zeitungen gedruckt zu sehen: „Bekannter Reaktionär entwendet anvertrautes Paket.“ Die Journalisten lieben ja solche kleinen Skandale.
    Glücklicherweise war das Abteil noch leer, und als Okkupanten hereinkamen, saß ich ruhig da und spielte mit großer Ruhe die Rolle des vornehm gelangweilten Reisenden.
    Kurz darauf erschien ein Herr, der einen Platz suchte.
    „Gehört dieses Paket Ihnen?“ fragte er mich. Ich wendete mich um, um das Paket zu nehmen und ins Gepäcknetz zu legen; und nun vollzog sich das schauerlichste Schauspiel, das mir der Himmel jemals zu sehen bestimmt hat.
    Das Füßchen eines Kindes kam aus einer Falte des Plaids, der das Paket umhüllte. Ich mußte an grausame Verbrechen im Lokalteil denken und wurde, glaube ich, weiß im Gesicht. Schon fühlte ich, daß mir der Atem ausging, als etwas geschah, das mir Perspektiven ganz anderer Art eröffnete.
    Das Plaid löste sich, und es erschien der Eigentümer des Füßchens, völlig lebendig und lebhaft: ein Kind von vier oder fünf Jahren mit zwei schrecklich aufgerissenen Augen.
    „Geh weg, du bist häßlich!“ rief es dem Herrn zu, der dastand und darauf wartete, daß ich ihm den Platz frei machte.
    Der Knabe trug um den Hals eine ordentliche Fahrkarte zweiter Klasse und eine Karte mit einem Namen und einer Adresse. Ein drittes, etwas größeres Stück Karton hing auch noch da, und darauf stand in schöner Handschrift geschrieben: .Gebrauchsanweisung’.“
    „Geh weg, Dummer!“ schrie der Knabe.
    Der Herr ging sehr indigniert hinaus. „Feine Art, die Kinder zu erziehen“, brummte er.
    „Du bist der Onkel Checco“, teilte mir das Bübchen dann vertraulich mit. „Die Mama hat mir gesagt, ich soll schön ruhig bleiben, aber ich habe, alles gesehen.“
    Er umarmte mich, und dies ließ mich meine Ruhe wiedererlangen. Ich sagte ihm, er solle brav sein, und der Knabe blieb eine gute Viertelstunde ruhig; dann aber sprang er plötzlich auf den

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