Enthuellungen eines Familienvaters
Margherita, ein Motorrad ohne Kubikzentimeter ist ein gewöhnliches Fahrrad. Die Kubikzentimeter sind ungefähr das, was auf dem Gebiet der Elektrizität die Spannung ist.“
Margherita schüttelte den Kopf.
„Das ist alles sehr traurig!“ rief sie. „Das Schicksal vereint uns, die Kubikzentimeter trennen uns. Hoffen wir auf De Gasperi.“
Sie begann wieder, in die Ferne zu blicken. Dann wandte sie sich um und ging zum Lichtschalter.
„Schau“, erklärte sie, indem sie das Licht aufdrehte, „wenn es finster ist, dreht man an diesem Schalter, und die Lampe wird hell. Dann, wenn man zu Bett geht, und wäre es auch Tag, dreht man noch einmal, und es erlischt. Wenn man es nicht löscht, dreht sich ein Rädchen im Zähler und man muß eine Unmenge Geld zahlen.“ Sie drehte den Gashahn auf.
„Schau“, erklärte sie, „wenn einer sich Kaffee oder etwas anderes wärmen will, dreht er an diesem Hahn und stellt den Topf auf, wie ich es jetzt mache.“
Sie setzte den Topf auf Gas. Kurz darauf spürte man einen schrecklichen Gestank, und Margherita wurde besorgt.
„Man muß jemandem telefonieren!“ rief sie. „Hier ist irgend etwas nicht in Ordnung!“
„Vielleicht kommt das daher, daß du das Gas angedreht, aber nicht angezündet hast“, bemerkte ich.
Da zündete Margherita das Gas an, und der Gestank hörte auf. „Siehst du, so ist das Leben!“ rief Margherita. „Wenn ich nicht gewesen wäre, wärest du an Gasvergiftung gestorben. Ich rate dir, den elektrischen Kocher zu benutzen, Giovannino. Das ist weniger gefährlich.“
Dann erklärte sie mir andere Dinge von größter Wichtigkeit: daß man den Wasserhahn zudrehen müsse, um Überschwemmungen zu vermeiden, daß die Porzellanteller zerbrechen, wenn man sie auf den Boden fallen läßt, und daß man, um die Badewanne mit Wasser zu füllen, zuerst den Stöpsel in das dafür bestimmte Loch stecken muß.
Sie blickte rund um sich, und aus ihrem Blick sprach die Angst, irgend etwas zu vergessen.
„Erinnere dich daran, mittags und abends zu essen. Für alle Fälle habe ich der Hausbesorgerin gesagt, sie solle dich daran erinnern, daß du Hunger hast. Denk daran, am Ende des Monats das Gehalt zu beheben. Ich habe dir auf dem Kalender ein Zeichen gemacht. Wenn jemand anruft, gibt es zwei Möglichkeiten: wenn du zu Hause bist, antworte, wenn du nicht zu Hause bist, antworte nicht. Sollte eine Frau anrufen, antworte auf keinen Fall. Da es sich aber ergeben könnte, daß ich anrufe, lasse ich dir hier das Losungswort: ,Sie waren gesund’. Wenn ich dir sage: ,Sie waren gesund’, bedeutet das, daß ich es bin, und dann antworte. Im Falle eines Brandes ist die Feuerwehr zu rufen. Ich glaube, ich habe dir alles gesagt.“ Ich breitete die Arme aus.
„Partir c’est toujours mourir un peu“, seufzte Margherita. „Wer abreist, läßt auf allen Stationen ein Stück von sich selbst zurück, und schließlich kommt nicht er an, sondern ein anderer. Wir werden immer weniger wir. Bei jedem Schritt, den wir machen, bleibt ein Stück von uns zurück, während ein anderes ,wir’ einen Schritt vorwärts macht. Und von diesem anderen ,wir’ , das wieder stehenbleibt, geht wieder ein anderes ,wir’ aus, und nach einem Kilometer sind wir tausend .wir’. Und so ist es das ganze Leben lang, und man fragt sich besorgt: Wer wird das letzte ,wir’ sein?“
Der Hühnerstall erwachte, und Carlotta lärmte, als habe sie ein Ei gelegt.
Eine Stunde später fuhren alle ab, und als ich gegen Abend hinunterging, trat die Hausbesorgerin auf mich zu. „Die gnädige Frau hat diese Notiz für sie hiergelassen“, sagte sie und überreichte mir einen Zettel.
„Lieber Giovannino, ich habe vergessen, Dir zu sagen, daß Du beim Verlassen des Hauses achtgeben sollst, weil zwischen der Glastür und der eigentlichen Haustür fünf Stufen sind (zum Hinuntersteigen beim Fortgehen und zum Hinaufsteigen beim Eintreten).“ Ich las den Zettel gehend, dachte nicht an die verdammten fünf Stufen und lag mit dem Gesicht auf der Erde.
„Kaum sind die Frauen fort, amüsieren sich die Männer!“ brummte die Hausbesorgerin mit verächtlicher Miene. „Arme gnädige Frau!“
Albertino hatte geschrieben: „Lieber Pappi, ich habe die Marguerite entblättert, um zu sehen, ob du kommst, und die Marguerite hat ja geantwortet, aber damit hat sie doch eine Lüge gesagt.“
Da beschloß ich, nach Garessio zu fahren.
Und ich kam tatsächlich hin. Denn wenn sich einer von einem Ort an einen
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