Enthuellungen eines Familienvaters
Sitz und begann herumzuhüpfen wie eine Rothaut auf dem Kriegspfad.
„Ich habe Hunger! Ich habe Durst! Ich habe Bauchweh! Ich will einen Bonbon! Ich will eine kleine Pfeife! Ich will ein Papierflugzeug!“ begann er zu schreien, wie besessen. Und die anderen hoben die Köpfe von ihren Zeitungen und blickten das Kind mit dem Ausdruck offenkundigen Mißfallens an.
„Brav sein, kleiner Schelm“, sagte die Dame, die mir gegenübersaß. „Nein, du bist häßlich und hast einen falschen Zahn!“ schrie das Kind und zeigte ihr die Zunge. Dann ging es immer wütender die anderen fünf Reisenden an, indem es kühne Urteile über die körperlichen und geistigen Gaben jedes einzelnen zum Ausdruck brachte. Ich versuchte, ihn zu begütigen. Als der Unverschämte merkte, daß die Dinge für ihn eine schlimme Wendung nahmen, warf er sich mir schluchzend in die Arme: „Bestes Pappilein, ich sterbe! Bestes Pappilein, ich sterbe!“
Die Dame gegenüber schüttelte den Kopf und flüsterte dem Gemahl etwas zu.
„Immer dasselbe“, antwortete der Gemahl.
„Wenn man gewisse Krankheiten hat, sollte man keine Kinder in die Welt setzen!“ brummte die Dame.
Indessen las ich angsterfüllt die .Gebrauchsanweisung“: „Alle zwanzig Minuten ein Glas Milch, eine Orangenscheibe, ein Bonbon und ein Biskuit, äußerste Frist fünfundzwanzig Minuten. Nie widersprechen! In dringenden Fällen ein Märchen erzählen.“ Im Paket befand sich alles Nötige. Ich fütterte ihn, er beruhigte sich, aber unglücklicherweise kam der Schaffner. Und da gab es eine Katastrophe, denn der Schaffner versuchte, die Karte zu lochen, die er um den Hals hatte, und daraus entwickelte sich eine ungemütliche Szene. Schließlich zog der Schaffner das Buch mit seinen Vorschriften aus der Tasche und las es aufmerksam.
„Nein“, sagte er im Fortgehen, „es gibt keinen Artikel, der die Beförderung gewisser Kinder verbietet! Aber man müßte das in die Vorschriften aufnehmen.“
In der Folge bat mich das Kind um meine Füllfeder. Und ich verweigerte sie ihm höflich, aber bestimmt.
„Wenn du sie mir nicht gibst, singe ich die ,Giovinezza’ “, zischte der Verbrecher bösartig. Ich gab ihm die Füllfeder, und es schien, als wollte er sich beruhigen.
Ich begann, Zeitung zu lesen, und fuhr erst auf, als ich die Stimme des Kindes hörte.
„Sie ist süß“, sagte das Kind und hielt mir die von seinen ruchlosen Zähnen zerknabberte Füllfeder unter die Nase. Sein Gesicht und sein Mund waren schwarz von Tinte. Es begann zu spucken, und die anderen mußten die Schirme aufspannen, um sich zu schützen.
„Man muß die Bahnpolizei rufen!“ schrie einer.
Ich breitete die Arme aus, erzählte die ganze Geschichte, zeigte die am Hals des Knaben hängende Karte, zeigte meine Dokumente und stellte mich vor. Sie verstanden mich.
„Man muß ein Komitee zur Verteidigung der öffentlichen Unverletzlichkeit bilden“, schlug ein ansehnlicher Herr vor.
„Ich glaube nicht, daß es noch notwendig ist“, entgegnete ein anderer Herr. „Vorläufig genügt es, eine Genossenschaft zur Verwaltung des Kindes zu bilden; allein wird der Herr mit ihm nicht fertig.“
„Ich verpflichte mich, es bis Piacenza auf den Hintern zu schlagen“, bot sich die Dame an.
„Von Piacenza bis Lodi bearbeite ich es!“ versicherte der Gatte der Dame.
Da sich der Knabe überlegenen Kräften gegenübersah, versuchte er es mit der Umgehungstaktik.
„Bestes Pappilein...“
„Nichts Pappilein!“ dementierte ich entschieden.
„Onki...“
„Nichts Onki!“ erwiderte ich. „Ich bin ein freier Bürger, der nichts mit dir zu schaffen hat!“
„Mann“, fragte der kleine Verbrecher. „Mann, erzählen Sie mir ein Märchen?“
Ich beriet mich mit den Genossenschaftern. Man konnte die Kompromißlösung, auch angesichts des jugendlichen Alters des Subjekts, annehmen.
„Ich werde dir ein Märchen erzählen“, sagte ich.
„Aber ein schönes!“
„Ein sehr schönes! Es war einmal ein Knabe, der hieß Puccettino“, begann ich.
„Ist nicht wahr“, sagte das Kind. „Er hieß Giacomo.“
„Na schön“, fuhr ich fort. „Es war einmal ein Knabe, der hieß Giacomo und wohnte in einem schönen Häuschen mitten in einem Garten.“
„Ist nicht wahr“, warf der kleine Unverschämte ein. „Er wohnte in einem großen Stadthaus, und eine Bombe fiel auf das Haus, und das Haus zerbrach ganz, und Giacomo fror, und er schlief auf dem Boden.“
„Ja“, fuhr ich fort, „er schlief auf
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