Entmündigt
daß der Entführer in seiner Skrupellosigkeit zu allem fähig ist. Meine Herren, meine Nichte ist das Opfer eines Verbrechens geworden. Helfen Sie mir, meine arme Nichte wiederzufinden …«
Es gelang Ewald Peltzner, zu weinen. Er steigerte sich so in seinen Schmerz hinein, daß ihm die Tränen wirklich aus den Augen quollen und über sein dickes Gesicht liefen. Fasziniert starrte ihn Maggfeldt an. Er weint wirklich, dachte er. Er sah, wie selbst die Presseleute einen Ausdruck von Rührung bekamen, er sah, wie einige Schwestern im Hintergrund schluchzten. Hilfesuchend sah Maggfeldt zu Oberarzt Dr. Pade. Ihre Blicke trafen sich in stummer Zwiesprache.
»Die Großfahndung läuft bereits«, sagte einer der Kriminalbeamten und legte die Hand auf den schluchzenden Peltzner. »Vielleicht können wir sogar die Interpol einschalten! Ich vermute, daß sie ins Ausland entkommen sind.«
»Das … das wäre fürchterlich …«, stotterte Peltzner. »Aber als gemeingefährliche Irre wird man sie doch sofort verhaften und einliefern. Herr Professor v. Maggfeldt bestätigt uns die Gemeingefährlichkeit sicherlich jederzeit noch einmal …«
Ewald Peltzner senkte den Kopf. Von unten her starrte er wie ein an Land gezogener Fisch den Professor an.
»Sie können das doch ruhigen Gewissens tun, nicht wahr?« fragte er.
»Ich werde es mir überlegen …«
Maggfeldt wandte sich ab und ging aus dem Saal. Verblüfft sahen ihm die Anwesenden nach. Ewald Peltzner schluckte und versuchte zu lächeln.
»Es hat ihn sehr angegriffen«, sagte er heiser. »Erst die beiden Mörder … jetzt meine Nichte … Das sind schon Schläge, meine Herren!«
Am nächsten Morgen waren die Zeitungen mit roten Balkenüberschriften geschmückt. Die Sensation war vollkommen. Irre Millionenerbin entführt. Zweifelhafte Fachgutachten. Eine Gesunde unter Irren? Gemeingefährliche Kranke ausgebrochen?
Die Interpol bekam durch Funkbild die genauen Beschreibungen und Fotos von Gisela Peltzner und Dr. Klaus Budde. Schon am Vormittag war es klar, welchen Weg die beiden genommen hatten. Die Fluggesellschaften meldeten sich, die Passagierlisten lagen vor.
Ewald Peltzner las die Berichte, die ihm Dr. Hartung vorlegte. Seit dem frühen Morgen war Hartung im Hause und saß am Telefon, um alles, was durchgesagt wurde, im Stenogramm festzuhalten. Er wußte bereits mehr. Ein Anruf aus Tunis war gekommen. Paul Burkhs berichtete von der Ankunft und von der Rückenverletzung Buddes. Man hatte ihn sofort nach Kairuan weitergebracht und von dort in die Oase Thala. In diesem Wüstennest lag eine Kompanie Soldaten mit einem eigenen Lazarett. Hier wurde Dr. Budde von einem eingeweihten tunesischen Militärarzt geröntgt und dann in eine Rückengipsschale gelegt. Ein Rückenwirbel war angebrochen, einige Nerven eingeklemmt. »Ein paar Wochen muß er bestimmt im Gips liegen!« berichtete Paul Burkhs. »Aber keine Sorge. Niemand wird erfahren, wo er ist …«
Das war gegen 7 Uhr morgens gewesen. Nun kamen die Berichte der Polizei laufend zu Dr. Hartung. Peltzner hatte ihn sofort beauftragt, alle Dinge zu erledigen und Anzeige gegen Dr. Budde zu erstatten.
»In Tunis!« sagte Peltzner verbissen. Er legte seine Serviette hin und erhob sich von dem Frühstückstisch. Monique knabberte noch an einem Toast. Sie verstand die Aufregung nicht, die im Hause seit gestern herrschte. Gisela war aus der Anstalt entführt worden. Nun denn … es war eine romantische Sache, die Monique sogar ›schick‹ fand. Was dieser Budde mit seiner irren Freundin anfangen wollte, war ihr freilich rätselhaft.
»Laß sie doch, Papa«, sagte sie, als Peltzner tobte. »Auch für zwei Verrückte hat die Welt Platz. Gisela hat ja kein Geld. Dieser Budde wird es bald leid werden, und sie kommt wieder. Ich kenne das … nur aufs Geld sind sie scharf. Mit einer Ausnahme …«, und sie strahlte Dr. Hartung an.
»Es ist fürchterlich!« Peltzner schlug die Fäuste zusammen. »Lieber Hartung, entfernen Sie meine Tochter und Ihre Braut aus meiner Nähe. Ich bewundere Sie, daß Sie so etwas ertragen können! Sie begreift es einfach nicht …«
»Sie haben Monique nicht über die Hintergründe …«
»Das fehlte noch! Kommen Sie, wir werden zur Staatsanwaltschaft fahren! In Tunis sind sie! Liefert Tunis aus?«
»Ich glaube nicht …«
»Nicht?« Peltzner blieb stehen, er sah aus wie ein angeschlagener Stier. »Aber das darf doch nicht sein …«
»Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden.«
»Abfinden!
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