Entmündigt
versuchen, den Herrn Professor zu erreichen. Er hat gerade geschockt …«
»Dann soll er warten! Ich komme! Ich bin auch gleich soweit …«
Selbst dem stillen Gärtner schien es zuviel zu werden. Er ging an das Tor und rieb den Kopf an dem dicken Stahlgitter. Sein flaches, langsam idiotisch werdendes Gesicht verzog sich zu einer grinsenden Fratze.
»Blödmann!« rief er Dr. Budde zu. »Blödmann, Blödmann …«
Eine Viertelstunde später kam ein Funkstreifenwagen. Da er von der Zentrale keine Unterstützung bekam, hatte der Pförtner zur Selbsthilfe gegriffen und die Polizei alarmiert.
Dr. Budde sah zur Seite, als die Polizisten aus dem Wagen sprangen. Aber er nahm den Finger nicht von der Hupe …
»Sind Sie verrückt?« schnauzte der Polizist, der neben Dr. Budde die Wagentür aufriß. Er ergriff Buddes Arm und drückte ihn von der Hupe weg. Dr. Budde schlug ihm auf die Finger.
»Wenn Sie mich noch einmal grundlos angreifen, betrachte ich das als Körperverletzung!« sagte er laut. Er stieg aus dem Wagen. Der Polizist fackelte nicht lange – er trug ja eine Uniform – und nahm Dr. Budde in den Polizeigriff. Aus ›Sicherheitsgründen‹, wie's später im Protokoll heißen würde … »Mitkommen! Der Wagen bleibt stehen! Ich werde Ihnen helfen, einen Beamten auf die Hand zu schlagen!«
Dr. Budde fügte sich. Nicht daß er seine Untat einsah, er sah nur die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen ein. Er ließ sich in den Streifenwagen stoßen und zum Revier fahren.
Erst dort kontrollierte man seinen Paß, seinen Führerschein, forderte ihn auf, in die Alkoholtesttüte zu hauchen, vernahm erstaunt, daß dieser Dr. rer. pol. Franz Budde unbedingt Einlaß in eine Irrenanstalt begehrte, und bedeutete ihm, daß er gehen konnte. Natürlich brachte man ihn nicht wieder im Streifenwagen dorthin, wo man ihn abgeholt hatte … so weit geht der Dienst am deutschen Staatskunden nicht. Dr. Budde konnte sich ja eine Taxe nehmen. Er tat es, ließ sich zur ›Park-Klinik‹ zurückfahren, grüßte freudig zu dem erbleichenden Pförtner hinüber, setzte sich hinter sein Steuer – und hupte weiter.
Um 12 Uhr fuhr Professor v. Maggfeldt in die Stadt zu einem reichen Privatpatienten. Notgedrungen mußte der Pförtner dazu das Tor öffnen. Während er durch einen Knopfdruck die Automatik betätigte, steckte er den Kopf weit aus dem Fenster. Was sich jetzt ereignen würde, wollte er um keinen Preis versäumen …
Dr. Budde sprang aus seinem Wagen, als v. Maggfeldts großer schwarzer Straßenkreuzer lautlos aus dem Park glitt. Er stellte sich ihm mitten in den Weg. Der Professor bremste abrupt und riß die Tür auf. Anders als andere Autofahrer, die auf eine solche Situation explosiv reagieren, lächelte er Dr. Budde zu. Er war eben ein Nervenarzt.
»Sie möchten überfahren werden?« fragte er freundlich.
Dr. Budde trat an den Wagen heran.
»Wenn das eine Möglichkeit ist, hier hereinzukommen, bitte geben Sie Gas!«
»Das hier ist eine Nervenheilanstalt, mein Bester.«
»In einer Entbindungsanstalt wäre ich auch fehl am Platze. Ich muß Herrn Professor v. Maggfeldt sprechen.«
»Das tun Sie bereits.« Der Professor musterte schnell sein Gegenüber. Ein netter junger Mann, stellte er fest. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Mein Name ist Budde. Dr. Klaus Budde …«
Maggfeldt zeigte keinerlei Wirkung in seinem lächelnden Gesicht. Das also ist er, der Verlobte Gisela Peltzners.
Was ich ihm sagen werde, muß ihn hart treffen.
»Kommen Sie, steigen Sie ein.« Der Professor öffnete die andere Wagentür. Dr. Budde ging um das Auto herum und setzte sich neben den Professor. »Ich habe Sie schon erwartet …«
»So?« fragte Budde. »Mir schien es nicht so. Seit über zwei Stunden stehe ich vor dem Tor.«
»Davon weiß ich ja gar nichts.« v. Maggfeldt fuhr an. Sein feines Gelehrtengesicht sah angespannt auf die Straße. »Sie wollen etwas über Fräulein Gisela Peltzner, Ihre Braut, wissen?«
»Ja …« Buddes Herz krampfte sich zusammen. »Wie geht es ihr …?«
»Gut. Aber …« Professor v. Maggfeldt drückte das Kinn an den Kragen. »Ich hoffe, daß Sie zuhören können, wenn ich Ihnen jetzt etwas erzähle …«
Bis zum Abend blieb Ewald Peltzner in seinem Büro. Er empfing niemanden, diktierte nichts mehr, er unterschrieb nicht: er kühlte sein angeschwollenes Gesicht, auf dem sich die Finger Dr. Buddes als dicke Streifen abzeichneten.
Erst als das Hochhaus leer war, als nur die Nachtwächter durch die
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