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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist dieser Unfall, diese traumatische Einwirkung auf das Hirn, der ursächliche Anlaß der Krankheit.«
    »Ich habe das nie, nie bemerkt!« rief Dr. Budde. Seine nervöse Hand stieß das Whiskyglas um. Er fuhr sich über die kurzgeschnittenen Haare. »Was Sie mir da sagen, das ist so ungeheuerlich …«
    »Blindheit ist das Paradies der Liebenden.« Professor v. Maggfeldt legte die Hand beruhigend auf den Arm Dr. Buddes. »Sie müssen stark sein! Es ist nicht zu ändern … im Augenblick nicht …«
    »Und … und können Sie sie heilen?«
    »Vielleicht. Ja, ich glaube, sicherlich! Mit einigen Elektroschocks …«
    »Schocks …« Dr. Budde wurde blaß. »Sie wollen Gisela …«
    »Der Elektroschock ist heute eine unserer wirksamsten Waffen gegen den Wahn! Medikamentös haben wir nur Mittel zur Ruhigstellung oder zur Aktivierung. Ich gebe zu, daß wir in der Psychiatrie eine sehr begrenzte Therapie haben … Was wissen wir denn von den Geisteskrankheiten? Wir stellen sie fest, wir sehen ihre Auswirkungen, wir haben einen Namen für sie, wir können sie in soundso viele Untergruppen aufteilen, wir haben alle Symptome spezifiziert, wir haben dicke Bücher geschrieben und gelesen … aber zu erklären, wie eine Schizophrenie entsteht, warum ein junges, normales, hübsches Mädchen plötzlich zu einer Furie wird, dazu sind wir außerstande. Oder das Gehirn eines Manischen … es ist normal wie jedes andere. Und doch ist der Mensch irr … Wo sitzt dieser Teufel? Welche Nerven reagieren anders, wo ist die Schaltung verwechselt, wie kam es zu dieser plötzlichen Fehlkoppelung von Nerven? Wir wissen es nicht. Alle neurologischen Erkrankungen, die zum Irrsinn führen, sind greifbar … aber der eben noch Gesunde, der auf einmal durchdreht und zum gemeingefährlichen Querulanten wird, zu einem Triebmörder, zu einem religiös Wahnsinnigen, zu einem Zwangsneurotiker … er ist und bleibt uns ein Rätsel …«
    »Aber Gisela … und Elektroschock …« Dr. Buddes Hand lag in der Whiskylache auf dem Tisch. Er merkte es gar nicht. Das Entsetzen hatte ihn ganz ergriffen. »Kann ich nicht mit ihr sprechen? Vielleicht sagt sie mir mehr als Ihnen … vielleicht ist alles nur ein Irrtum … eine vorübergehende Erregung …«
    »Wir müssen sie erst genau untersuchen. Und das ist etwas komplizierter als das Abhorchen eines Herzens oder das Feststellen einer Bronchitis. Wir brauchen einige Wochen, um klar zu sehen. Die psychiatrische Untersuchung ist die vielleicht gründlichste aller medizinischen Disziplinen … nicht der kleinste Fleck des Körpers mit allen möglichen Reaktionen und Differentialdiagnosen wird ausgelassen … und am Ende stehen wir dann doch vor dem Rätsel des Irreseins.« Professor v. Maggfeldt beugte sich weit zu Dr. Budde vor. »Ich verspreche Ihnen, daß Sie Fräulein Peltzner sehen dürfen, wenn wir unsere Untersuchungen abgeschlossen haben.«
    »Vorher nicht?«
    »Nein. Wir wollen alle Erregungszustände ausschalten.«
    »In einem Irrenhaus?«
    »Gerade in einem Irrenhaus. Sie werden es nicht glauben … die glücklichsten Menschen sind die Irren.«
    »Aber … aber wenn Gisela gesund ist … Es muß die Hölle für sie sein!«
    »Die Hölle, nein!« Maggfeldt schüttelte den Kopf. »Falls sie sich nicht selber das Leben zur Hölle macht. Wenn sie wirklich gesund ist, Ihre Braut … wir werden es erkennen. Dieses Vertrauen müssen Sie uns entgegenbringen, lieber Herr Budde.«
    »Und wann … wann darf ich sie sehen?«
    »Vielleicht in vier Wochen.«
    »Vier Wochen … Darf ich ihr wenigstens schreiben?«
    »Das dürfen Sie.« Natürlich würden die Briefe zurückgehalten werden, bis die Untersuchungen abgeschlossen waren. Aber das wollte er Budde nicht auch noch sagen.
    »Werden Sie sie von mir grüßen?« Maggfeldt sah Buddes flehende Augen. Er nickte. Die Lüge war im Laufe seiner langen Praxis als Psychiater zu einem Bestandteil seines Wesens geworden. Nicht im schlechten Sinne, sondern als Schild vor der Schrecklichkeit der Tatsachen. »Werden Sie ihr sagen, daß ich sie liebe … immer lieben werde … auch so, wie sie jetzt ist …«
    »Ich werde es ihr sagen. Auch wenn es nicht gerade klug ist.«
    »Warum nicht?«
    »Die Welt ist voller hübscher, junger, gesunder Mädchen …«
    »Sprechen Sie nicht weiter, Professor!« schrie Dr. Budde. Er preßte die Hände gegen seine Ohren. »Wenn ich an all das denke, könnte ich selbst irr werden …«
    Ein halbes Jahr zuvor.
    Direktor Ewald Peltzner hatte in

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