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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und wedelte mit dem dicken, buschigen Schwanz, als Frau Paulis verblüfft ausrief:
    »Ja, was ist denn das? Ein Hund bei uns?«
    Hinter ihr raschelte es im Bett. Die ›russische Fürstin‹ versuchte sich aufzusetzen.
    »Ich hatte auch einen Hund«, sagte sie mit gezierter Stimme. »Ein Windspiel. Babotschka nannte ich ihn. Schmetterling …«
    »Meiner hieß Fürst Blücher«, sagte die Generalswitwe. Sie saß vor einem Schachspiel und spielte seit vier Monaten eine Partie mit sich selbst, ohne zu einem Ende zu kommen.
    Frau Paulis riß die Tür auf, als sie Maggfeldt draußen hörte. Er kam mit dem Riesenhund in das Zimmer 9. Die ›russische Fürstin‹ klatschte in die Hände.
    »Mein Schmetterling!« jauchzte sie. »Mein malenjkije slatkije Babotschka …«
    Sie wollte aus dem Bett springen, aber Dr. Pade hielt sie fest. Maggfeldt schob den Hund, der sich vor dem Geplapper der alten Russin etwas sperrte, mit beiden Händen vorwärts.
    Die Generalswitwe saß in strammer Haltung hinter ihrem Schachbrett. »Fürst Blücher war größer!« sagte sie würdevoll. »Er machte den 1. Preis von Waterloo!«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, Exzellenz.« Der Professor zeigte auf den hechelnden Bernhardiner. Die Augen der ›russischen Fürstin‹ rollten wild. Ihr Mund war weit aufgerissen, und ihr schmächtiger, verwelkter Körper zuckte leicht.
    Maggfeldt schien es zu übersehen. Er war ganz auf Frau Paulis konzentriert, und er setzte alles auf eine Karte. Auf dem Flur wartete die Stationsschwester neben Dr. Ebert mit einer fertig aufgezogenen Injektionsspritze.
    »Ich bringe Ihnen einen neuen Zimmergenossen, Frau Paulis«, sagte der Professor mit seiner sanften Stimme. Dabei kraulte er den Bernhardiner. »Er wird bei Ihnen wohnen … er ist Vollwaise, ganz allein auf der Welt, er weiß nicht, wohin er gehört, er kennt keine Liebe, kein Zuhause, keine Pflege … das alles sollen Sie ihm geben, Frau Paulis. Sehen Sie nur seine Augen … wie er Sie anbettelt, wie er Liebe sucht …«
    Der Bernhardiner war langsam auf Frau Paulis zugetappt. Nun legte er seinen Kopf auf ihre Knie und sah sie aus großen traurigen Augen an. Das Gesicht von Frau Paulis zuckte. Ihre Augen wurden feucht.
    »Sie wollen ihn hierlassen, Herr Professor?« fragte sie leise. »Ich soll ihn haben?«
    »Wenn Sie mögen … ich schenke ihn Ihnen.«
    »Aber Herr Professor … Das Futter für ihn … Ich kann doch nicht …«
    »Das Futter stiftet die Klinik. Das heißt, die Zutaten. Kochen müssen Sie für ihn! Wir werden Ihnen einen Elektroherd ins Zimmer stellen, Kochtöpfe und alles, was man braucht.«
    »Wie heißt er denn?« fragte Frau Paulis. Fast zaghaft legte sie ihre Hand auf den dicken Kopf des Hundes. Dr. Pade und Dr. Ebert hielten den Atem an. Selbst Professor v. Maggfeldt hatte eine Sekunde das Gefühl, von einem hohen Turm zu blicken und nicht schwindelfrei zu sein.
    »Ludwig …«, sagte er laut. Es kam wie eine Explosion. Frau Paulis' Augen wurden unnatürlich weit. Dr. Pade ging zur Tür, um die Schwester hereinzuwinken. Jetzt geht es los, dachte er. Ein Aufschrei, ein schreckliches Verzerren des Gesichtes … und alle Elektroschocks waren vergebens. Das Experiment Hund ist mißlungen.
    Aber es geschah nichts. Die Hand der blassen Frau blieb auf dem Kopf des Bernhardiners liegen. Sie zitterte nur stark. Der Hund deutete es als ein Streicheln … er drehte den Kopf zur Seite und leckte ihr mit seiner großen dicken Zunge über die Hand.
    »Ludwig …«, stammelte Frau Paulis. »Du heißt Ludwig …« Sie beugte sich über den Hund und legte ihren Kopf an die Stirn des Bernhardiners. »Mein Kleiner … mein Heimatloser … jetzt bleibst du bei mir … Wir werden uns gut vertragen, nicht wahr … wir werden immer beieinander sein … Ludwig …«
    Ihr Körper fiel zusammen. Sie sank langsam über den Hund und wühlte ihr Gesicht in das dichte, langhaarige Fell. Der Bernhardiner stand wie angewurzelt und ließ alles mit sich geschehen.
    Auf Zehenspitzen gingen die Ärzte aus dem Zimmer. Auf der Stirn Dr. Pades glänzten winzige Schweißperlen. Dr. Eberts Gesicht war bleich.
    »Sie haben gewonnen, Herr Professor«, sagte der Oberarzt, als sie hinaus in den Garten traten. »Ich gratuliere …«
    »Ich wußte es.« Maggfeldt steckte sich eine Zigarette an. »Sie haben eine viel zu schlechte Meinung von den Irren, meine Herren …«
    Nach zwei Tagen mußte Frau Paulis mit dem Bernhardiner zum Pavillon I umziehen. Dort bekam sie eine kleine eigene

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