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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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was Sie wollen! Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen …«
    »Ich könnte Sie vor ein Gericht schleppen und schwören lassen!«
    »Bitte! Könnten Sie mir einen Meineid nachweisen?«
    »Sie sind ein Schlappschwanz!«
    Dr. Budde nahm seinen Mantel und verließ grußlos die Wohnung.
    An diesem Abend war es, als Heinrich Fellgrub an seinen Onkel geschrieben hatte, daß er das Londoner Klima nicht mehr vertrüge und ihm der Nebel auf die Bronchien schlage …
    Der Dienst auf der Station 3, dem festen Haus der Paralytiker und Epileptiker, war hart und nicht immer gefahrlos. Während man bei Schizophrenen irgendwie einen neuen Schub ahnte und ihre motorische Unruhe langsam anlief, war es bei diesen Männern wie eine Explosion. Sie tobten ganz plötzlich los. Dann mußte blitzschnell gehandelt werden, oft mit roher Gewalt, um diese Tobenden ruhigzustellen und durch Injektionen in Lethargie zu versenken. Auch die bei den Paralytikern angewandte Malaria-Therapie, die Erzeugung eines Reizfiebers und die Nachbehandlung mit Neosalvarsan und Quecksilberschmierkuren war bei der Unberechenbarkeit der Kranken eine große Belastung für die Ärzte und Schwestern.
    Dr. Bernd Ebert, der seine Strafversetzung in die Station 3 überwunden hatte, machte sich in diesem umfangreichen Block im hintersten Winkel des Klinikparkes einen Namen, indem er rigoros mit den Kranken umging.
    »Erst habt ihr euch angesteckt, und jetzt wollt ihr auch noch mit Glacehandschuhen angefaßt werden, was?« schrie er die Paralytiker an, wenn sie sich über ihre Behandlung beschwerten. »Man sollte euer Gehirn einfach ausblasen! Los, Hose 'runter, bücken! Schnauze halten!« Und dann jagte er die Injektionsnadel in den Muskel, daß die Kranken aufheulten.
    Die Angst vor Dr. Ebert wuchs im Block 3 zu einer Panik, wenn er die immer wiederkehrenden Routine-Untersuchungen ansetzte und Liquor aus dem Rückenmark saugte, um den Erfolg der Malariakuren zu untersuchen. An diesen Tagen wehrten sich die Kranken, klammerten sich an die Betten fest, schrien und tobten, schlugen um sich, wälzten sich auf dem Boden oder versuchten, sich selbst Wunden beizubringen, nur um nicht in die Hände Dr. Eberts zu fallen. Es half ihnen nichts. Die Pfleger zerrten sie weg, gaben ihnen Beruhigungsspritzen und legten sie vor Dr. Ebert auf den OP-Tisch.
    Nach außen drang nichts von diesen Zuständen, selbst nicht bis zu Professor v. Maggfeldt und seinem Oberarzt. Nach Dienstschluß saßen die Pfleger mit Dr. Ebert in dessen Zimmer und tranken. Ja, er drückte sogar beide Augen zu, wenn die Pfleger ihre Mädchen über die Mauer holten. Eine Ungeheuerlichkeit, die Maggfeldt mit sofortiger Entlassung geahndet hätte. Aber diese Großzügigkeit verpflichtete das Personal vom Block 3, absolut dichtzuhalten und Dr. Ebert so, wie er war, zu dulden und zu decken.
    Dann geschah das Furchtbare.
    Es war an einem Abend, und Dr. Ebert hatte sich einen Paralytiker in den OP führen lassen, um ihn lumbal zu punktieren. Nackt stand der Kranke vor dem Arzt, ein ausgemergelter Körper, mit gelblicher, schweißiger Haut, in den Augen einen stieren Blick, mit dem er die Handhabungen des Arztes verfolgte.
    »Na, dann wollen wir mal!« sagte Dr. Ebert salopp. Er nahm von dem Krankenpfleger die Spritze mit dem Lokalanästhesiemittel und hob sie gegen das Licht. »Wirst einen schönen Wassermann haben und eine herrliche Kolloid-Reaktion! Leg dich mal auf'n Bauch, alter Knabe, aber fang nicht an zu phantasieren.«
    Der Paralytiker grinste, aber er blieb stehen. Verblüfft sah ihn Dr. Ebert an. »Was soll das?« fragte er laut. »Willste 'ne Einladung haben?« Er wandte sich an den Pfleger. »Friedrich, lad ihn mal ein …«
    Der Paralytiker grinste noch immer. Aber er ging zurück, stellte sich an die gekachelte Wand und preßte sein Gesäß dagegen. Dr. Ebert legte die Anästhesiespritze hin. Sein Gesicht wurde rot.
    »Hat man so was schon gesehen?« brüllte er los. »Der Kerl wird renitent! Im OP! Los, Friedrich!«
    Er ging auf den Kranken zu und faßte ihn am Kopf, mit einem Griff, der die Daumen in die Schläfen drückte. Der Paralytiker schrie auf, er duckte sich und riß seinen Schädel aus Dr. Eberts Händen. Mit einem Satz war er am Instrumentenschrank, zerschlug mit der Faust das Glas und ergriff eine lange, dünne, spitze Schere. Es geschah so schnell, daß Dr. Ebert erst das Klirren der Scheiben wahrnahm, als der Kranke schon die Schere in der Hand hielt.
    »Herr Doktor!« schrie Friedrich und

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