Entmündigt
schon, seit er als Kind im Sand gespielt hatte.
Ein wenig zu sicher, dachte Peltzner. Aber vielleicht ist die heutige Generation so …
»Das ist er!« sagte Monique noch einmal.
»Jawohl, so sieht er aus!« Dr. Hartung verbeugte sich knapp. Der erste Eindruck, den Peltzner auf ihn machte, war völlig anders, als er nach den Schilderungen Buddes hätte sein müssen. Wie eine dicke Qualle kam er Hartung vor. Aufgeschwemmt vom Wohlleben, zu hoher Blutdruck, Tränensäcke unter den Augen … man konnte denken, er sei ein guter, lebenslustiger Onkel. Beim zweiten Blick allerdings sah man seine Augen. Und diese Augen waren kalt, rattenhaft und ohne eine Spur einer Regung.
Ewald Peltzner streckte Dr. Hartung die Hand entgegen. Der Rechtsanwalt ergriff sie, eine feuchte, schwammige Fleischmasse, die er nach Überwindung eines plötzlichen Ekelgefühls schnell drückte, um dann seine Finger ebenso schnell aus der Umklammerung herauszuziehen.
»Setzen wir uns«, sagte Ewald Peltzner jovial. Er ließ sich in einen der breiten Sessel fallen, schlug die Beine übereinander und sah zu Dr. Hartung hinauf, der neben Monique stehengeblieben war. »Sie wollen also meine Tochter heiraten?« fragte er unvermittelt.
»Aber Papa!« sagte Monique. Sogar rot wurde sie, was Peltzner wirklich erstaunte. Dr. Hartung bemühte sich, nicht zu lächeln.
»Wenn Sie mich so direkt fragen, Herr Peltzner, muß ich sagen: Daran gedacht habe ich schon … aber wenn ich auch ein moderner, schneller Mensch bin, so ziehe ich in punkto Ehe doch ein altmodisches Tempo vor …«
»Alle Achtung!« Peltzner sah schadenfroh auf seine Tochter. »Ich habe zuerst gedacht, Sie hätten es auf meine Millionen abgesehen, Herr Dr. Hartung …«
»Ich gebe zu, daß viel Geld verlockend ist. Aber es ist bei mir nicht ausschlaggebend.«
»Ist er nicht ein fabelhafter Mann?« rief Monique.
»Wie man's nimmt. Ich würde sagen – seien Sie nicht beleidigt, Herr Doktor –, er kann auch ein Idiot sein! Wenn man mir vor fünfundzwanzig Jahren eine Millionärin angeboten hätte, würde ich nicht einen Gedanken lang gezögert haben. Ob jung, ob alt … mir wär's wurscht gewesen. Einem Blankoscheck sieht man keine Falten an …« Er winkte dem in einiger Entfernung stehenden Kellner zu, bestellte drei Whiskys mit Eis und sah dann wieder zu Dr. Hartung auf. »Sie sind also von der Sorte, die das Geld verachtet?«
»Wir verstehen uns falsch, Herr Peltzner.« Dr. Hartung setzte sich und beugte sich vor. »Ich bin so altmodisch, die Liebe an den Anfang zu stellen …«
»Ist er nicht süß, Papa?« sagte Monique. Sie setzte sich auf die Sessellehne, legte den Kopf auf Hartungs Haare und küßte ihn auf die Schläfe. Peltzner sah sich um. Man beachtete sie nicht. Anscheinend war man so etwas hier gewöhnt.
»Und Sie lieben meine Tochter?«
»Den Umständen entsprechend – ja!« sagte Hartung vorsichtig. Ewald Peltzner hob die Augenbrauen. Sein rundes, dickes Gesicht wurde ernst. Das Lächeln wurde weggewischt, die Verbindlichkeit, das Onkelhafte. Jetzt ist er so, wie Klaus ihn sieht, dachte Hartung.
»Was soll das heißen?« fragte Peltzner grob.
»Ich kenne Ihre Tochter erst wenige Tage. Sie sind genug für einen Flirt, für ein Abenteuer, eine Ferienliebe … Sehen Sie sich um hier, Herr Peltzner … das unwahrscheinlich blaue Meer, die Hitze, der laue Wind, der von Afrika herüberkommt, die lampionerhellten Nächte, die Musik aus jedem Fenster, die Palmen und die Blumen … alles ist dazu geschaffen, das Leben zu erleben, im wahrsten Sinne! Und dann kehrt man zurück in den rauhen Norden, und das Leben ist plötzlich anders. Aus einem Spiel wird Ernst. Was hier selbstverständlich ist, wird dort ein Problem … Ja, ich habe Ihre Tochter gern … aber ich glaube, daß Monique und ich uns erst näher kennenlernen sollten, ehe wir sagen: Wir bleiben für immer zusammen. Vielleicht mag sie mich in sechs Wochen gar nicht mehr …«
»Ist er nicht klug, Papa?« sagte Monique und küßte Hartung hinters Ohr.
»Laß dies Getue, Monika!« polterte Peltzner.
Wenn Ewald Peltzner statt Monique auf gut deutsch Monika sagte, wußte auch seine Tochter, daß die Lage ernst war. Sie richtete sich auf, blieb aber auf der Sessellehne sitzen. Ihren Rock zog sie so weit übers Knie, wie es eben möglich war. Schmollend schob sie die langen schwarzen Haare nach hinten über die Schultern zurück.
»Ich bin der Ansicht, eine Heirat sollte nicht einer lebenslänglichen Einweisung
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