Entmündigt
wiederkommen, das ist alles!«
»Was wollen Sie denn?« fragte Fellgrub. Er steckte die Pistole ein und setzte sich neben die offene Tür auf einen Stuhl. Dr. Budde faltete die Zeitung zusammen.
»Ein Schwätzchen halten, weiter nichts. Ich fühle mich so einsam in Old England. Keine Bekannten, ein billiges Hotel, fades Essen … ich sehne mich nach Menschen der Heimat. Da dachte ich an den guten Vetter Heinrich …«
»Ihr blödes Reden bringt mich zur Weißglut!« keuchte Fellgrub.
»Wie schade! Lesen Sie nicht die ›Times‹? Seite 14, eine große Anzeige: Bei seelischen Erregungen nimm Psychopan, das Schmalz der Seele. – Kostet nur 3 Schilling 6. Sie sollten es sich unbedingt kaufen, Vetter Heinrich.«
»Wenn Sie glauben, mit mir einen Nervenkrieg anfangen zu können, sind Sie schief gewickelt!« Fellgrub stand auf und strebte zu einer Whiskyflasche. Er trank sonst nie, aber in dieser Situation drängte es ihn, sich Mut und Kraft anzutrinken. Er goß sich ein Glas halb voll und stürzte es in einem Zug hinunter. Es brannte höllisch, nahm ihm aber auch seine kindische Angst.
»Prost!« sagte Dr. Budde. »Ich hätte auch einen nötig. Sie sind ein schlechter Gastgeber …«
»Ich habe Sie nicht eingeladen!«
»Wer wird so auf die Etikette sehen! Die Peltzners sind doch sonst nicht so! Wer seine Cousine ohne Reue …«
»Sie rennen einem Phantom nach, Dr. Budde. Gisela ist schwer krank …«
»So wie Sie und ich! Sie wissen es genau! Aber für einige Millionen suggeriert man selbst dem Teufel ein, er sei ein Engel …«
»Ich mache mir nichts aus Geld!«
»Dann sind Sie ein schwarzes Schaf innerhalb der Peltzner-Familie!« Dr. Budde erhob sich und ging im Zimmer hin und her. Heinrich Fellgrub beobachtete ihn. Er ist groß und stark, dachte er, stärker als ich. Es hat keinen Sinn, zu versuchen, ihn niederzuschlagen.
»Was bezwecken Sie eigentlich mit Ihrer Frechheit?« fragte er. Budde blieb vor ihm stehen.
»Ich möchte Ihr Gewissen anstoßen. Weiter nichts. Es soll aufwachen, denn es schläft. Man hat es betäubt mit vielen, vielen, kleinen Goldstücken. Mensch, Sie sind doch ein netter Kerl, Sie haben eine gewisse Intelligenz …«
»Ich bin hocherfreut, daß Sie das bemerken!« sagte Heinrich Fellgrub giftig.
»Ich weiß, daß Gisela gerade Sie gerne mochte. Sie sprach viel von Ihnen. Sie betrachtete Sie als den einzig Vernünftigen der Familie …«
»Ich weine gleich vor Rührung!« Fellgrub nahm einen neuen Whisky.
»Sie sind ein schwerfälliger Patron!« Dr. Budde steckte sich eine Zigarette an. »Sie könnten ein sorgenfreies Leben führen. Natürlich nicht als Millionär, aber doch so gut gestellt, daß man Sie beneiden würde. Statt dessen tanzen Sie nach der Pfeife Ihres Onkels Ewald. Ich an Ihrer Stelle würde das schamlos finden und vor mir selbst ausspucken!«
»Hören Sie auf, Dr. Budde!« rief Fellgrub gequält. Budde sprach aus, was er schon seit langem spürte. Er war ein Hampelmann. Aber er hatte nie die Kraft besessen, sich dagegen aufzulehnen. Vor allem seiner Mutter zu Gefallen hatte er zu allem geschwiegen und das Verbrechen an Gisela geduldet. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß Sie dummes Zeug reden! Ich habe mich den Gutachten von drei Fachärzten gebeugt. Es ist ausgeschlossen, daß sich drei Ärzte so gründlich irren! Außerdem sehe ich keinen Anlaß, mich gegen diese Gutachten zu stemmen … ich, der Laie!«
»Das haben Sie nett gesagt!« Dr. Budde zerdrückte seine Zigarette. »Sie sollten Politiker werden. Die wissen am Ende auch nicht mehr, was sie gesagt haben und wie dieses und jenes geschehen ist!« Er ging zu dem Bartisch und goß sich selbst einen Whisky ein. »Erinnern Sie sich nicht an den Familienrat?«
»Es waren nach Onkel Brunos Tod viele Besprechungen zwischen uns!«
»Ich meine den Abend, an dem der liebe Onkel Ewald den Plan entwickelte, Gisela müsse für irr erklärt werden, um an das Vermögen Bruno Peltzners heranzukommen.«
»Ein solches Gespräch hat nie stattgefunden!« sagte Fellgrub steif. Aber er sagte es so, daß es niemand zu glauben brauchte. Zu genau erinnerte er sich an diesen Abend und das Entsetzen, das ihn befiel, als Onkel Ewald seinen teuflischen Plan entwickelte. Damals hatte er sich dagegen gesträubt, aber dann hatte er stumm genickt, als er die flehenden Augen seiner Mutter sah. Was weiter besprochen wurde, das wußte er nicht, denn er war weggelaufen auf sein Zimmer.
»Sie lügen!« sagte Dr. Budde grob.
»Denken Sie,
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