Entmündigt
die Fragen, die Hartung abschießen wollte, harmlos erscheinen lassen.
Während Monique zum Bahnhofscafé unterwegs war, ihren Vater dort, wie er gewünscht hatte, abzuholen, telefonierte Hartung noch schnell mit London. Dr. Budde war mißmutig. Seine Fellgrub-Aktion war ohne Erfolg. Wenn er gewußt hätte, daß Ewald Peltzner mit einem Abstecher nach St. Tropez auf dem Weg nach London war, hätte er anders reagiert.
»Träufle ihm Zyankali in den Wein!« schnaubte er Dr. Hartung an. »Oder ersäuf ihn. Alles ist recht! Anders sprengen wir diesen Ring nicht auf. Du wirst sehen, auch du entlockst dem alten Gauner kein Wort, an dem man ihn aufhängen kann!«
»Abwarten!« Dr. Hartung war bester Laune. Er wäre es nicht gewesen, wenn er in diesem Augenblick die Worte Ewald Peltzners gehört hätte, als er auf der Terrasse des Bahnhofscafés auf Monique zukam. »Na, wo ist denn mein Schwiegersohn?«
»Ich werde den guten Ewald einwickeln wie eine saure Gurke in einen Rollmops«, sagte Hartung fröhlich. »Außerdem wird mir Moniques Plappermündchen helfen!«
»Viel Vergnügen!« Dr. Budde in London starrte durch das Hotelfenster auf die Straße. Es regnete, es war kalt, alles war grau und alt und trostlos. »Aber daß du Idiot auf einen solch leeren Karton wie Monique hereinfällst …«
Dr. Hartung legte auf. Unsachlichkeit liebte er nicht. Er setzte sich ans Fenster, rauchte eine Zigarre und wartete auf das Auftauchen des ›leeren Kartons‹ nebst Papa Ewald Peltzner.
Er mußte lange warten. Bevor Peltzner sich bereit erklärte, den jungen Mann überhaupt anzusehen oder gar zu sprechen, verlangte er von Monique einige Aufklärungen.
»Was soll der Unsinn?« fragte er auf der Terrasse des Bahnhofscafés. »Du bist keine Frau, die so schnell heiratet.«
»Warum nicht, Papa?«
»Kannst du überhaupt einem Mann treu sein?«
»Was hat denn das mit der Ehe zu tun?« fragte Monique mit süßem Lächeln. Ewald Peltzner schob seinen Hut in den Nacken.
»Ehe heißt Vertrauen und Treue!« stellte er fest.
»Warst du Mama immer treu?« fragte Monique zurück.
»Laß diese dummen Fragen!« Peltzner schnaufte erregt. »Mir geht es darum, daß meine Tochter – wenn sie schon heiratet – einen anständigen Haushalt hat und daß sie vor allem reif ist, eine Ehe zu führen. Du bist es nicht! Und das werde ich diesem Dr. Hartung sagen!«
»Das wirst du nicht, Papa. Sonst erzähle ich, daß in der Pension Miramar ein molliges Fräulein auf dich wartet, das früher oder später mit einer mehr oder weniger großen Summe abgefunden wird!«
»Man sollte dir eine 'runterhauen!« schnaubte Peltzner. »Was willst du also von mir? Soll ich den Jungen in meine Arme nehmen? Vielleicht heiratet er nur dein Geld!«
»Der nicht! Er hat nicht einmal gefragt, wer du bist. Das habe ich ihm alles von mir aus erzählt. Ihn interessierte das alles nicht!«
»Du hast dich ihm also angeboten wie saures Bier!« stöhnte Peltzner. »Auch das noch! Früher warst du doch nicht so! Es muß ja eine einmalige Ausgabe von Mann sein, daß du dich so schamlos benimmst!«
»Ich liebe ihn«, sagte Monique einfach. Es war der erste Satz, den Peltzner wirklich ernst nahm. Sie sagte es ohne Theatralik, daß er es ihr ohne Kommentar glaubte. Verwundert war er nur, daß Monique tatsächlich eines echten Gefühles fähig war. Er hatte es ihr nie zugetraut.
»Also gut, dann gehen wir. Sehen wir uns diesen Wunderknaben einmal an. Rechtsanwalt ist er?«
»Ja.«
»Nicht übel. Die Familie kann einen guten Anwalt gebrauchen. Ein Rechtsanwalt als Schwiegersohn … das ist immer gut!«
»Glaub nicht, daß Gerd deine Schwindeleien mitmacht!« sagte Monique warnend.
Peltzner lächelte jovial. »Kommt Zeit, kommt Rat! Schließlich ist Charakter ein Wort, das man nur noch im Lexikon findet …«
»Da sind sie ja!« sagte Dr. Hartung laut zu sich selber. Monique kam mit ihrem Vater über die Straße auf sein Hotel zu. Er zerdrückte die glimmende Spitze seiner Zigarre, sah noch einmal in den Spiegel, strich sich mit angefeuchteten Fingerspitzen über die schwarzen Schläfenhaare und die Augenbrauen und begab sich dann hinunter in die Hotelhalle.
*
»Das ist er, Papa!« sagte Monique mit glänzenden Augen, als Dr. Hartung ihnen langsam entgegenging. Ewald Peltzner kniff seine in den dicken Fettpolstern liegenden Augen etwas zu und musterte den schlanken jungen Mann, der mit breitem Lächeln stehenblieb und ihnen zunickte, als kenne er die Familie Peltzner
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