Entmündigt
in ein Irrenhaus gleichkommen!« sagte Dr. Hartung. Ewald Peltzner fuhr zusammen, als habe ihn jemand mit aller Wucht in den Rücken geboxt. Nur eine Sekunde war es, ein Überrumpelungsschock, den er sofort auffing.
»Wie meinen Sie das?« fragte er ruhig. Aber seine Rattenaugen lauerten. Sie glitten über das Gesicht Hartungs, der Blick saugte sich förmlich fest.
»Eine Redensart!« sagte Hartung leichthin und klopfte Monique auf die Schenkel. »Man sagt das so … Ich stelle mir ein Irrenhaus schrecklich vor! Es gibt wohl nichts Schlimmeres …«
»Seien wir froh, daß wir gesund sind!« sagte Peltzner laut. Er lächelte mühsam. »Natürlich ist die Zeit kurz, die Sie Monique kennen. Ich hätte auch nie …« Er sah seine Tochter an, strafend und fragend. »Nur Monique überfiel mich gleich bei der Begrüßung mit der Mitteilung, daß sie heiraten wolle. Als Vater, Sie verstehen …«
»Ich verstehe.«
»Sie sind Rechtsanwalt?«
»Ja.«
»Große Praxis?«
»Zwei Zimmer, die immer leer sind.«
Peltzner lachte. Gut, dachte er dabei. Sehr gut. Ein armer, aber begabter Anwalt. Er wird froh sein, Geld in die Hände zu kriegen, er wird wie Wachs sein, ich werde ihn mir mühelos zurechtkneten können.
»Wie lange dauert Ihr Urlaub, Herr Doktor?«
»Ich bin immer in Urlaub.«
»Und wovon leben Sie?«
»Von Gelegenheitsarbeit. Die Ehescheidung einer reichen Frau bringt genug, für einige Monate …«
»Können Sie in vierzehn Tagen zu mir kommen?«
»Zu jeder Zeit, Herr Peltzner.«
»Ich brauche einige private Ratschläge.« Peltzner richtete sich auf und versuchte, die Brust vorzurecken. »Von Ihrer Intelligenz wird dann abhängen, was weiter geschieht. Wenn wir uns – wie soll ich sagen – menschlich auf dieser Basis näherkommen, bin ich bereit, Moniques Wunsch anzuhören.«
»Papa, du bist zauberhaft!« rief Monique.
Dr. Hartung nickte. So kauft man Menschen, dachte er. Preis: die eigene Tochter. Man sollte jetzt aufstehen, freundlich lächeln und ihm dabei ein paarmal mitten in das schwammige Gesicht schlagen. Wie kommt ein solches Scheusal zu einem Püppchen wie Monique?
Peltzner erhob sich. Er streckte Hartung wieder die Hand entgegen, aber selbst ihm kam die merkwürdige Situation zum Bewußtsein. Nur Monique wußte nichts von dem Handel, der um sie begonnen hatte. Und wenn sie es erkannt hätte, würde es sie kaum erschüttert haben. Wir werden heiraten, dachte sie. Das war für sie genug.
»Wir leben in einer sonderbaren Zeit!« sagte Peltzner, als Hartung wieder schnell seine Finger aus Peltzners Hand zog.
»Das kann man wohl sagen«, entgegnete Hartung.
Er sah Monique und ihrem Vater nach, wie sie die Hotelhalle verließen. Sie hatte sich bei ihm eingehakt und trippelte vergnügt neben ihm her. An der Schwingtür drehte sie sich um und winkte Hartung mit strahlendem Gesichtchen zu.
»In einer Stunde bin ich wieder da …«, rief sie.
Er nickte, wartete, bis sie auf der Straße waren und Peltzner seinen Strohhut aufsetzte. Dann ging er zu der Bar in der Ecke der Hotelhalle, lehnte sich an die Theke und winkte dem Barmixer zu.
»Einen dreifachen …«, sagte er. Auf einmal war seine Stimme belegt.
Was er nie für möglich gehalten hatte, war ihm zugefallen: Er wurde Teilhaber an der Gemeinheit, die zu vernichten er ausgezogen war.
»Wissen Sie, was ein Virus ist?« fragte er den Barmixer, als dieser ihm das Getränk hinschob.
»Nicht genau … ich denke, das ist ein unsichtbarer Erreger, der den Körper von innen vernichtet …«
»So ist's!« Dr. Hartung trank das Glas in einem Zug leer. »Ab heute bin ich ein Virus …«
Verständnislos sah ihm der Barmixer nach und räumte kopfschüttelnd das Glas zur Seite.
In London stand Heinrich Fellgrub an der Sperre des Flughafenzolls, als Ewald Peltzner, ein wenig blaß von einem windigen Flug, durch die Kontrolle schritt. Er ging seinem Onkel entgegen.
»Du siehst schlecht aus!« sagte Peltzner und musterte seinen Neffen. Blaß ist er, dachte er. Als wenn er hungern müßte, so elend steckt er in der Wäsche. »Gibt's in London so nette Mädchen, daß du kaum zum Schlafen kommst?«
Er lachte, um die Kluft zu überbrücken, die er deutlich zwischen sich und seinem Neffen spürte. Das schwache Glied in seiner Kette. Ob man ihn zu einem Geschäftsfreund nach Japan schickte? Aber das würde Anna wieder nicht dulden! Es war schrecklich, mit Verwandtschaft belastet zu sein. Ein ständiger Druck auf die Gurgel.
»Ich freue mich, daß du
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