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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Betten, über die Betten und gegen die Decke blies.
    »Desinfizieren Sie das Zimmer, Herr Professor?« fragte Else Pulaczek.
    »Und wie! Riechen Sie es nicht?«
    Man hörte es schnuppern, als wenn ein Jagdhund eine Spur aufnimmt.
    »Nach Mottenpulver riecht es, Herr Professor.«
    »Es ist Dimethylaminosulfohexatetraoxylin!« sagte Maggfeldt, ein Wort, das es nicht gab und eine sinnlose chemische Verbindung war. Aber für Else Pulaczek war es die Erlösung von aller Furcht. Sie kroch unter ihren Tüchern hervor, schnupperte wieder und warf dann die Tücher und den nassen Lappen weg.
    »Ist das gut, Herr Professor?« fragte sie.
    »In einer Minute gibt es keinen Bazillus mehr! Völlig steril ist alles …«
    »Wie im Paradies …«
    »Genau wie da …«
    Else Pulaczeks Gesicht wurde von einer großen, inneren Zufriedenheit verklärt. Sie zog sich das Nachthemd aus, breitete die Arme weit aus und stellte sich vor Maggfeldt hin.
    »Mich auch, Herr Professor!« sagte sie wie verklärt. »Machen Sie mich auch steril …«
    Professor von Maggfeldt nickte freundlich. Er pumpte weiter, hielt den Schlauch an den fahlen Leib der Irren und ließ den Luftstrom langsam über sie gleiten. Sie schloß die Augen, drehte sich langsam um sich selbst und seufzte ein paarmal tief auf.
    »Wie schön …«, sagte sie leise. »Wie schön … jetzt bin ich sauber … so sauber …«
    »Das wär's!« Maggfeldt stellte sein Pumpen ein. »Ziehen Sie sich wieder an … Jetzt sind Sie bakterienfrei … völlig frei! Riechen Sie mal … was, das ist gut? Keine Bazillen, keine Viren … alles weg! Mindestens einen Monat lang kann Ihnen keine Bakterie mehr etwas tun!«
    »Es ist wunderbar, Herr Professor … Sie wissen genau, was einem fehlt …«
    Else Pulaczek zog sich an, kämmte sich und tat etwas, was sie seit ihrer Einlieferung vor sieben Monaten nie getan hatte. Sie ging hinüber zum Pflegerinnenraum und winkte.
    »Wer geht mit mir spazieren?« fragte sie. »Es ist so schöne Sonne draußen …«
    Dr. Pade traute seinen Augen nicht, als er auf dem Weg zum Schwimmbecken Else Pulaczek fröhlich erzählend mit einer Pflegerin sah. Hinter ihr, in einem weiten Abstand, ging der Professor und beobachtete sie. Dr. Pade ging auf seinen Chef zu.
    »Was ist denn das, Herr Professor?« sagte er fassungslos. »Die Else geht 'raus? Und die Bazillen, die in der Luft fliegen …«
    »Sind fort … Sie sehen's doch, Herr Pade …«
    »Aber wie … wie …«
    »Ganz einfach.« Professor v. Maggfeldt blieb stehen. »Man nehme eine alte Autopumpe und pumpe damit zehn Minuten Luft …«
    »Herr Professor!« Dr. Pade verzog das Gesicht. »Wenn ich nicht wüßte, daß Sie der Chef sind …«
    »Mein lieber Pade!« Maggfeldt legte lächelnd die Hand auf die Schulter seines Oberarztes. »In der Psychiatrie sollte man einen Lehrsatz sich jeden Tag vorsagen: ›Der Mensch ist und bleibt ein Kind und will spielen …‹ Es kann sein, daß wir hiermit einen Zipfel vom Geheimnis seines Wesens lüften …«
    Das Problem der religiös Wahnsinnigen war ungleich schwieriger. Als sie in die Anstalt kam, war sie ein mittelschwerer Fall, der nur aufgenommen wurde, weil die häuslichen Verhältnisse daheim eine Dauerpflege nicht erlaubten. Aber je länger sie in der Anstalt war, um so mehr zeigte Monika Durrmar, daß in ihr noch mehr verborgen lag als nur Predigten, Gebete und Gesänge, Selbstkasteiungen und Selbstauspeitschungen, die sie mit allem vornahm, was sich dazu eignete. Kurz bevor Gisela durch die Nachricht von der Abreise Dr. Buddes in ihre Krise gestürzt wurde, kam ein neuer, viel gefährlicherer Wahn über Monika Durrmar.
    Sie wachte eines Morgens auf, schellte nach der Schwester, verlangte für ihren Schoß ein goldenes Tuch und erklärte, sie trage einen neuen Gott im Leib.
    Dann wartete sie auf das goldene Tuch. Als es nicht gebracht wurde, begann sie zu toben, zerschlug ihr Bett und verdammte Ärzte und Pflegepersonal in die tiefste Hölle.
    Oberarzt Dr. Pade wurde gerufen. Ausdrücklich hatte er angeordnet, daß man ihr kein Dämpfungsmittel verabreichte. Er wollte diesen neuen Schub in seiner vollen Stärke sehen.
    Die Patientin erwartete ihn, auf den Trümmern ihres Bettes sitzend, feierlich, fast thronend, in der Hand ein Stück Holz haltend wie ein Zepter. Ihr Rücken war mit Striemen übersät, geschwollen, aufgeplatzt und blutig. Bevor sie ruhiger geworden war, hatte sie sich wieder kasteit … nun war sie zufrieden und verhältnismäßig ruhig.
    Dr.

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