Entrissen
spät.«
»Für wen? Für was?«
»Es war immer schon zu spät.« Ihr Kopf fiel nach vorn, so dass ihr Haar sie wie ein Vorhang von Phils Fragen abschirmte.
Phil versuchte es mit einem anderen Ansatz: »Aber wieso Clayton? Wieso mein Sergeant? Wieso er?« Danach nahm er sich sofort zurück. Unter keinen Umständen durfte er zulassen, dass sein Zorn und seine Schuldgefühle die Oberhand gewannen. »Warum nicht Ryan Brotherton oder ... ich weiß nicht -einer Ihrer früheren Kunden? Warum ausgerechnet Clayton?«
Sie hob den Kopf, die Augen noch immer starr geradeaus gerichtet. Sie schien nachzudenken. »Weil... weil er mir nicht mehr geholfen hat.«
»Ihnen geholfen? Wobei sollte er Ihnen helfen?«
»Bei ...« Sie schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. Er hatte sie wieder verloren.
Noch ein neuer Ansatz,
dachte Phil. Er schlug die Akte auf. »Sophie Gale«, sagte er, während er von der ersten Seite ablas. »Richtiger Name Gail Johnson. Zum ersten Mal wurde die Polizei vor sechs Jahren auf Sie aufmerksam, als Sie wegen Prostitution verhaftet wurden. Sie gingen einen Deal ein. Wurden zur bezahlten Informantin. Irgendwann haben Sie dann aber Ihr Leben im Milieu aufgegeben und sind untergetaucht. Weshalb?«
»Hatte die Schnauze voll.«
»Verständlich. Einige Zeit später tauchen Sie an der Seite von Ryan Brotherton wieder auf. Dann wird dieser im Zusammenhang mit einem Mordfall vernommen. Zunächst glauben wir, er könnte der Täter sein. Es gibt genug Beweise, die das nahelegen. Aber er ist unschuldig, stimmt's?«
Keine Reaktion.
»Nein. Er ist nicht der Mörder. Aber es sieht ganz so aus, als habe sich jemand sehr viel Mühe gegeben, damit wir ihn für den Mörder halten. Warum wohl?«
Keine Reaktion.
Phil lehnte sich zurück und betrachtete sie. »Mögen Sie Zauberei, Sophie?«
Ihre Blicke trafen sich. Sie schien verwirrt.
»Das ist keine Fangfrage. Mögen Sie Zauberei? Zaubertricks meine ich damit, nicht Harry Potter oder so.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Klar, warum nicht.«
»Das dachte ich mir. Wissen Sie, wie Zauberei funktioniert? Sie müssen darauf nicht antworten, ich werde es Ihnen sagen. Ablenkung. Ein Zauberer, der richtig gut ist, kann die Blicke seiner Zuschauer lenken. Niemand sieht, was er wirklich vorhat. Niemand sieht die Münzen, die er in seiner Handfläche verschwinden lässt, damit er sie später wieder hervorzaubern kann. Niemand sieht die Karten, die er so zurechtlegt, wie er sie braucht. Niemand sieht, was er im Ärmel hat. Alle sehen nur das, wovon er will, dass es gesehen wird. Richtig?« Erneut ein Schulterzucken.
Phil beugte sich vor. Trotz seiner harten Worte klang seine Stimme ganz weich. »Und genau dasselbe haben Sie mit uns gemacht, Sophie. Sie haben es so eingefädelt, dass Ryan Brotherton unter Verdacht gerät. Sie haben dafür gesorgt, dass wir bei ihm nach Verbindungen zu allen anderen Opfern gesucht haben, nicht nur zu Claire Fielding. Sie haben Zweifel an seinem Alibi aufkommen lassen und sich selbst als arme geprügelte Frau dargestellt, die in Todesangst vor dem großen bösen Mann lebt. Dabei haben Sie ihn die ganze Zeit an der Nase herumgeführt und uns auch. Sie haben den wahren Mörder gedeckt, dafür gesorgt, dass wir die Verbindungen zwischen den Opfern nicht sehen. Alles Ablenkungsmanöver.«
Sophie sagte noch immer nichts, aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Phil war sich nicht ganz sicher, aber es schien, als sei sie stolz auf das, was er über sie gesagt hatte.
Phil war zufrieden, dass seine Worte den richtigen Effekt hatten. »Ja, Sie sind ein richtiger kleiner David Copperfield. Bis auf die Tatsache, dass am Ende alles schiefgelaufen ist, nicht wahr? Der letzte Mord hätte nicht passieren sollen, stimmt's? Nicht so bald. Und bestimmt nicht, während wir Ryan Brotherton in Gewahrsam hatten und ihm so ein wasserdichtes Alibi geliefert haben.«
Erneut studierte er ihr Gesicht. Sie hörte seine Worte, verarbeitete sie. Ganz offensichtlich war sie nicht froh über das, was er sagte.
»Also, wir wissen, dass Sie es nicht waren. Weil Sie hier waren, als der letzte Mord passiert ist. Aber wir wissen, dass Sie wissen, wer der Täter ist. Also sagen Sie es mir.«
Keine Regung.
Phil seufzte. »Hören Sie, Sophie. Wir kriegen Sie wegen Mordes dran. Daran gibt es keinen Zweifel. Dafür werden Sie einsitzen. Und da es ein Polizist war, den Sie getötet haben, werden Sie sehr lange einsitzen. Wenn Sie es sich also ein wenig leichter
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