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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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machen wollen, sagen Sie mir, was ich wissen will. Und ich tue, was ich kann, um Ihnen zu helfen.« Er konnte nicht fassen, was er gerade gesagt hatte, aber er war auf ihre Mithilfe angewiesen.
    Er lehnte sich zurück und wartete ab. Sophie lächelte. Es war dasselbe humorlose Grinsen wie vorhin, nicht mehr als das Grinsen eines Skeletts. »Ist doch egal. Sie würden's nicht verstehen. «
    Phil spürte, wie er langsam ärgerlich wurde. Das würde ihn nicht weiterbringen. Er musste seine Wut lenken, sie für sich arbeiten lassen. Er beugte sich dicht an Sophie heran. »Dann sorgen Sie dafür, dass ich es verstehe, Sophie. Sagen Sie es mir.«
    Keine Regung.
    »Hören Sie«, sagte er und bemühte sich, seinen Zorn unter Kontrolle zu behalten. »Clayton Thompson hatte Familie. Eine Mutter. Zwei Schwestern. Ich habe einen Freund und Kollegen verloren. Seine Familie hat einen Sohn und Bruder verloren. Was glauben Sie, wie sie sich jetzt fühlen? Hmm? Was glauben Sie, denken sie darüber, was Sie ihm angetan haben? Einem Mitglied ihrer Familie?«
    Sophie reagierte. Das Wort »Familie« war es. Sie zuckte zusammen, als hätte man sie geschlagen. Phil erkannte seinen Vorteil und bohrte weiter.
    »Ja, Sophie, seine Familie. Sie haben ihn verloren. Wegen Ihnen. Wie würden Sie sich an ihrer Stelle fühlen? Haben Sie Familie?«
    Und dann lachte sie. Es war ein trockenes, rasselndes Geräusch. »Ja-haa«, sagte sie und zog das Wort genüsslich in die Länge. »Und ob ich Familie hab.«
    »Und wie würden die sich fühlen, wenn sie wüssten, was Sie getan haben?«
    Sie lachte wieder. »Sie haben wirklich keinen Schimmer, oder?«, meinte sie.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Die Familie. Darum geht es doch immer, oder nicht?«
    »Was meinen Sie? Erklären Sie es mir.«
    »Familie. Familienbande. Blut. Dicker als Wasser. Stärker als ...« Sie starrte ihn gebannt an. »Stimmt doch, oder?«
    »Stimmt es wirklich?« Phil hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte, aber er wusste, dass es nichts Gutes verhieß. Trotzdem war da etwas in ihren Worten, das ihn stutzen ließ. Einem Impuls folgend, zog er den Computerausdruck heraus, den Anni ihm gegeben hatte, bevor er hergekommen war. Er drehte ihn um und schob ihn über den Tisch.
    »Ist das vielleicht ein Mitglied Ihrer Familie?«
    Sophie betrachtete den Ausdruck. Es war ein Foto des Mannes, der dabei beobachtet worden war, wie er Claire Fieldings Apartmentgebäude am Abend ihres Mordes betrat und verließ. Sie blickte rasch auf.
    Phil bemerkte den Ausdruck in ihrem Gesicht. Versuchte, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.
    Er hatte sie.
     

69
     
    Tony Scott starrte auf die Seite und las die Zeile wieder. Dann noch einmal. Er seufzte und streckte sich. Es nützte nichts. Er konnte sich einfach nicht auf das Buch konzentrieren.
    Er legte es aufgeschlagen auf dem Beistelltisch neben dem Sessel ab. Die Seiten bogen sich nach oben wie die Flügel eines ungelenken Vogels, der nicht abheben konnte. Er lächelte zufrieden, als er sein Weinglas in die Hand nahm. Die perfekte Metapher für das Buch, das ihn nicht zu fesseln vermochte. Es würde sich lohnen, sie aufzuschreiben.
    Er nippte am Wein und streckte sich in seinem Sessel. Im Hintergrund lief Ray LaMontagne. Tony machte sich im Allgemeinen nicht viel aus Popmusik, aber der Mann hatte den Bogen raus.
    Er sah auf die Uhr. Bald sechs. Marina hatte angerufen und ihm gesagt, dass sie auf dem Heimweg sei. Er hatte versucht, vom Tonfall ihrer Stimme auf ihren Gemütszustand zu schließen, aber es war ihm nicht gelungen. Sie klang müde und abwesend, aber daran war vermutlich die Arbeit schuld. Und das Baby. Sicherlich machte ihm der Stress auch zu schaffen. Das würde es sein.
    Er trank noch einen Schluck. Ob er es noch einmal mit dem Buch versuchen sollte? Er entschied sich dagegen. Er hatte im Vorfeld so viel darüber gehört, dass er sicher gewesen war, es würde ihm gefallen. Das war ganz offensichtlich nicht der Fall. Aber vielleicht lag es ja auch gar nicht am Buch. Vielleicht lag es an ihm.
    Marina war letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Dieser Gedanke ließ ihm einfach keine Ruhe. Er hatte gedacht, dass die Dinge zwischen ihnen wieder im Lot seien. Während der Sache mit Martin Fletcher hatten sie eine schwere Zeit durchgemacht. Das war verständlich. Dann kam die Schwangerschaft und Marinas Wunsch, die Universität zu verlassen. Ein Entschluss, den er zu hundert Prozent unterstützt hatte. Aber jetzt arbeitete sie wieder

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