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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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auf ihn wartete. Er schüttelte noch einmal den Kopf und ging, um herauszufinden, was seine Kollegin von ihm wollte.
     

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    Phil stand vor dem Vernehmungszimmer und lehnte sich gegen die Wand. In seinem Kopf drehte sich alles, taumelte wild durcheinander, dass ihm ganz schwindelig und schlecht wurde. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Versuchte, seinen Kopf von allem freizubekommen, jeden unnötigen Ballast über Bord zu werfen und seine ganze Energie auf eine einzige Sache zu richten. Eine einzige Person. Ein einziges Ziel. Sophie Gale zum Reden zu bringen.
    Brothertons Vernehmung war wichtig gewesen, aber das hier war noch wichtiger. Von keiner Vernehmung, die er bisher geführt hatte, hatte so viel abgehangen wie von dieser.
    Er holte noch einmal tief Luft, dann noch einmal. Wartete, bis sein Herzschlag zu seinem normalen Rhythmus zurückgefunden hatte. Ruhig. Konzentriert. Fokussiert. Er war kein zorniger Polizist, der den Tod seines Kollegen rächen wollte. Kein trauernder Freund. Nichts davon durfte mit ihm in den Raum gelangen. Dafür war später Zeit. Jetzt galt es, seinen Job zu erledigen. Dafür musste er ganz Profi sein.
    Er zog die Akte unter seinem Arm hervor und blätterte sie noch einmal durch. Betrachtete eingehend das Blatt Papier, das Anni ihm kurz zuvor gegeben hatte. Dann klappte er die Akte zu, öffnete die Tür und betrat den Vernehmungsraum.
    Sophie Gale saß am Tisch und blickte starr geradeaus. Statt in sich zusammengesunken dazusitzen, wie man es hätte erwarten können, war ihr Rücken gerade, beide Hände lagen auf dem Tisch. Ihr Haar hing strähnig herunter. Sie sah nicht auf, als er eintrat. Er setzte sich ihr gegenüber, legte die Akte auf den Tisch und sah sie an. Er war überrascht. Ihr Sex-Appeal war verschwunden, und von ihrer billigen erotischen Ausstrahlung war nichts mehr übrig. Ihr Gesicht war bleich und unbewegt, die Augen waren starr wie die einer Totenmaske. Sie blickte zwar in seine Richtung, sah ihn aber nicht an.
    Phil nutzte die Gelegenheit, um sie genauer zu mustern. Seine erste Vermutung war, dass sie vielleicht unter Schock stand, aber dann merkte er, dass er sich geirrt hatte. Sie wirkte gefasst, zeigte keine Spur des emotionalen Ungleichgewichts, das für einen Schock typisch war. Außerdem entdeckte man bei genauerem Hinsehen einen Funken in ihren Augen, einen dunklen, lodernden Funken.
    Phil lehnte sich zurück. Er hatte verstanden. Sophie Gale sah nicht mehr die Notwendigkeit, anderen etwas vorzuspielen. Die Masken, auf die Brotherton und Clayton hereingefallen waren, waren überflüssig geworden. Darunter kam nun ihr wahres Gesicht zum Vorschein, kalt und ausdruckslos, ihr Innerstes nur noch angetrieben von unbändigem Zorn. Jetzt musste Phil den Grund für diesen Zorn finden. Das war die einzige Möglichkeit, dem Geschehenen auf den Grund zu gehen. Nur wenn ihm das gelang, hatte er eine Chance, das Baby zu finden und einem Mörder das Handwerk zu legen.
    Er brauchte einige Sekunden, um sich zu fassen; dann schaltete er das Band ein, um Sophie Gale zügig zu befragen, da sie nur eine begrenzte Zeit festgehalten werden konnte. Zunächst nannte er seinen eigenen Rang und Namen, dann den der zu vernehmenden Person. Er fügte hinzu, dass Sophie Gale das Angebot eines Rechtsbeistands zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgeschlagen habe.
    »Also, was ist passiert, Sophie?«
    Keine Antwort, nur diese starren Augen.
    »Kommen Sie«, sagte er. »Sie haben Clayton getötet. Clayton Thompson. Warum?« Nichts.
    »Hatten Sie Streit? Eine Auseinandersetzung? Hat er ... hat er versucht, sich Ihnen zu nähern?«
    Eine unbedeutende Reaktion, ein Zucken der Lippen, mehr nicht.
    Phil seufzte. »Sophie, Sie müssen mir schon ein bisschen entgegenkommen. Wie kann ich Sie verstehen, wie kann ich versuchen, Ihnen zu helfen, wenn Sie mich nicht lassen?«
    Phil wartete ab. Er war sich sicher, dass sie irgendwie auf seine Worte reagieren würde.
    Und er hatte recht.
    »Das können Sie nicht.« Ihre Stimme klang leise und hohl. Sie passte zu ihrem Gesichtsausdruck.
    »Was meinen Sie damit, ich kann es nicht? Ich kann Ihnen nicht helfen, oder ich kann Sie nicht verstehen?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Beides.«
    Er senkte die Stimme, sprach wie ein Vertrauter oder ein Freund zu ihr. »Warum nicht? Sagen Sie es mir doch. Helfen Sie mir, es zu verstehen.«
    Sie seufzte. »Dafür ist es zu spät.« Sie schüttelte den Kopf, und ihre Mundwinkel deuteten ein Lächeln an. »Zu

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