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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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und fest und so sachlich wie möglich, trotz seiner inneren Aufgewühltheit, trotz des Adrenalins, das durch seinen Körper jagte. »Also, dieser Familienangehörige von Ihnen - er stiehlt Babys. Um die Familie weiterzuführen, ist es das? Und Sie haben ihm die Opfer geliefert.«
    Sie nickte unmerklich.
    »Warum?«
    »Sie wissen genau, warum.« »Erklären Sie es mir.«
    »Familien müssen wachsen. Sonst sterben sie aus.«
    »Und das war der einzige Weg? Ungeborene Babys aus den Bäuchen ihrer Mütter zu reißen?«
    »Das sind keine Mütter, das sind bloß Gefäße«, sagte Sophie mit leuchtenden Augen. »Babys müssen eine Bindung zu ihren Eltern aufbauen. Man will nichts aus zweiter Hand.«
    Phil lehnte sich zurück und versuchte, seinen Zorn und Ekel zu beherrschen und weiterhin ganz vernünftig mit ihr zu reden. Nur so würde er sie zum Reden bringen.
    »Und wo ist er jetzt? Wo können wir ihn finden?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihren Zügen aus. »Wahrscheinlich auf der Jagd«, sagte sie.
    Ein Schauer lief Phil über den Rücken. »Auf der Jagd?« Er beugte sich vor. »Wo?«
    Ein neuerliches Schulterzucken.
    »Wo ist er?«
    Sophie schloss die Augen.
    Phil ballte seine Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Er musste sich beherrschen. Wenn er seinen Gefühlen nachgab und auf Sophie losging, würde er sie verlieren, das wusste er. Erneut lehnte er sich weit vor. Seine nächsten Worte wog er sorgsam ab.
    »Sophie, sagen Sie es mir. Wenn Sie es nicht tun, wird dieses Bild«, er hielt es ihr direkt vors Gesicht, »heute Abend im Fernsehen, in allen Zeitungen und im Internet erscheinen. Ich weiß, es ist kein sehr gutes Foto. Aber irgendjemand wird die Person darauf erkennen. Und dann haben wir sie. Also können Sie es mir genauso gut jetzt sagen.«
    Keine Antwort.
    »Weiß er, dass Sie hier sind?«
    Nicken. »Ich hab ihn angerufen, als ich hier angekommen bin.«
    »Sie brauchten keinen Anwalt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Musste ...«, sie hielt inne, »ihn warnen. Ich musste ihn warnen.«
    Mist,
dachte Phil. Das war vermutlich das Schlimmste, was ihnen hatte passieren können. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen, eine Möglichkeit finden, die Situation zu seinen Gunsten zu wenden.
    »Er wird denken, dass Sie daran schuld sind, Sophie«, sagte er und hoffte, dass seine Worte Eindruck auf sie machen würden. »Ob Sie es mir sagen oder nicht - wenn das Bild rausgeht, wir einen Tipp bekommen und ihn schnappen, dann wird er denken, dass Sie ihn verraten haben.« Er lehnte sich zurück. »Wollen Sie das etwa?«
    Keine Reaktion.
    »Sagen Sie mir, wo er ist.«
    Nichts.
    Wieder beugte er sich ihr zu. Seine Stimme war leise und vertraulich, wie die eines Priesters, der die Beichte abnimmt. »Hören Sie, wir werden ihn kriegen. So oder so. Also können Sie es mir genauso gut sagen.«
    Er wartete. Schließlich schaute sie hoch, ihre Augen voller Wahnsinn. Auch ihr schreckliches Lächeln erschien wieder. »Okay. Ich sag es Ihnen. Alles.«
    Phil unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. »Gut.«
    »Aber es ist eine lange Geschichte. Sie müssen genau zuhören. Sie müssen es verstehen. Wenn Sie es nicht verstehen, kann ich es Ihnen nicht sagen.«
    Phil atmete tief ein und aus. Und noch einmal. Am liebsten wäre er über den Tisch gesprungen, hätte sie an der Kehle gepackt und sie angeschrien, sie solle gefälligst endlich mit der Sprache herausrücken. Ihm sagen, wo der Mörder war und was er gerade machte. Am liebsten hätte er auf sie eingeschlagen, sie geohrfeigt - was auch immer nötig war, um sie zum Reden zu bringen. Aber er tat es nicht. Stattdessen sagte er nur: »Ich höre zu, Sophie. Ich werde es verstehen.«
    Er betrachtete das grobkörnige Foto des Mörders und hoffte, dass ihnen noch genug Zeit blieb, ihn aufzuhalten.
     
    Marina öffnete die Haustür.
    Mit gesenktem Kopf betrat sie das Cottage und zog den Schlüssel aus der Tür. Sie war müde, alles tat ihr weh, und sie sehnte sich nach einem heißen Bad. Sie brauchte einen ruhigen Ort, um sich zu entspannen, und sie brauchte Zeit, um darüber nachzudenken, was sie als Nächstes tun sollte.
    Sie blieb wie angewurzelt stehen.
    Das Cottage war vollkommen verwüstet. Die Möbel waren umgestürzt, Bücher aus den Regalen gerissen worden, Bilder, Pflanzen und Geschirr lagen zerschmettert auf dem Boden. Ihr geschmackvolles und wohlgeordnetes Zuhause, das sie sich mit Tony aufgebaut hatte, glich einem

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