Entscheide dich, sagt die Liebe
schüttelte Paolo den Kopf. Eigentlich hatte er ihr nach dem zweiten Glas die Frage stellen wollen, die er schon unter der Dusche geübt hatte: »Willst du meine Frau werden?« Jetzt blieb sie ihm im Hals stecken. Er musste eine günstigere Gelegenheit abwarten.
Während Clara die Stadtführerin für ihre Ex-Kinderfrau spielte, wanderte Paolo rastlos in seinem Zimmer auf und ab. Arbeit wartete auf ihn, neue Aufträge und alte Kundschaft, um die er sich kümmern musste. Vor allem stand ein Telefonat mit Scheich Omar bin Ali al Nahyan an, einem Stammkunden aus Abu Dhabi, der mit seiner jüngst gelieferten sechsundsechzig Millionen Euro teuren Luxusjacht nicht hundertprozentig zufrieden war. Doch Paolo konnte sich nicht konzentrieren. Seine Gedanken schweiften immer wieder zu Clara ab, und das Gefühlsbarometer in seinem Inneren pendelte zwischen Euphorie und Selbstzweifeln schlimmster Bauart hin und her. Er hätte so gern mit jemandem darüber gesprochen. Nicht mit irgendwem, sondern mit seinem besten Freund. Aber ausgerechnet mit dem hatte er sich zerstritten. Minutenlang überlegte er, ob es einen Ausweg aus dem Dilemma gäbe. Es gab keinen, nur die Flucht nach vorn. Er atmete tief durch, dann rief er Daniele an.
»Ich möchte mich für die Ohrfeige entschuldigen«, sagte er. »Tut mir leid, wenn ich überreagiert habe. Aber du hast Clara zutiefst gekränkt, und da bin ich so wahnsinnig wütend geworden.«
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt.« Danieles Stimme klang trotzig. »Kränken wollte ich niemanden damit«, fügte er versöhnlicher hinzu.
»Weißt du was? Vergessen wir das Ganze. Streiten ist Zeitverschwendung. Sag mir lieber, wie es deinem Vater geht. Er ist mir gestern so zittrig vorgekommen.«
Offensichtlich hatte Paolo den richtigen Ton getroffen, denn Daniele schien erleichtert zu sein, dass das Missverständnis aus der Welt war. Er berichtete vom Fortschreiten der Krankheit seines Vaters und vertraute Paolo seine Sorgen an. »Wenn es so weitergeht, wird Papa nicht mehr lang einen Pinsel halten können.« Dann erzählte er von seinem Entschluss, täglich nach Torcello zu fahren und wieder, wie früher, in der Werkstatt mitzuarbeiten.
»Und dein Studium? Deswegen hast du den Restauratorenberuf doch damals an den Nagel gehängt.«
»Ich werde es schon nebenher schaffen. Und wenn nicht, wird sich die Welt weiterdrehen. Was bringt einem schon ein Diplom als Übersetzer, wenn es keine Jobs gibt?«
»Aber es war doch dein Traum! Oder nicht?«
»Träume ändern sich. Und die Familie geht vor. Aber jetzt erzähl mal, wie es dir geht. Oder besser, wie es euch geht.«
Bereitwillig griff Paolo das Stichwort auf und erzählte von seinen Fortschritten in Bezug auf Clara, seinen gigantischen Fortschritten – ohne detailliert auf die Liebesnacht einzugehen, schließlich war er ein Gentleman. »Eigentlich möchte ich den ganzen Tag singen vor Glück.«
»Um Himmels willen, tu’s nicht! Das wäre ein Scheidungsgrund.«
Paolo lachte. »Ich liebe sie. Ich weiß hundertprozentig, dass ich mit ihr zusammen sein will. Und wenn ich an unsere gestrige Nacht denke, na ja, dann liebt sie mich auch. Aber heute Morgen war ich mir schon wieder nicht mehr so sicher.« Er seufzte. »Ich kann sie einfach nicht einschätzen, ihre Reaktionen sind so unvorhersehbar für mich. Immer wenn ich denke, jetzt, jetzt hast du sie, dann passiert wieder etwas Unerwartetes.«
»Lass ihr Zeit«, riet Daniele. »Ihr Vater ist vor Kurzem gestorben, das steckt man nicht so schnell weg. Sie muss den hohen Erwartungen gerecht werden, die an die Tochter eines berühmten Dirigenten gestellt werden. Und hat sie nicht auch finanzielle Sorgen? Ganz schön viel für ihre schmalen Schultern.«
»Wenn sie mich heiraten würde, wären ihre finanziellen Sorgen Geschichte. Aber man muss ihr jede Unterstützung und jedes Geschenk richtiggehend aufdrängen, sonst nimmt sie es nicht an. Ich glaube, sie führt sogar Buch, damit sie mir eines Tages alles auf den Cent genau zurückzahlen kann.«
»Sei doch froh, Paolo. Bisher hattest du nur mit Frauen zu tun, die irgendetwas von dir wollten. Endlich gibt es eine, der weder deine gesellschaftliche Position noch dein Bankkonto imponieren.«
» Mamma mia, du hast recht. Gerade weil sie anders ist, liebe ich sie ja so sehr. Wie konnte ich das eine Sekunde lang vergessen?«
»Wenn sie Ja sagt, dann meint sie dich und deine menschlichen Qualitäten. Nicht deinen Palast, dein Geld oder deinen Titel.«
Das
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