Entscheide dich, sagt die Liebe
Daniele hätte wetten mögen, dass sie ein blütenweißes Kleid mit einer auberginefarbenen Stola tragen würde, passend zu Paolos Frack mit dem violetten Kummerbund.
»Ich freue mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid, um mit mir den Frühling zu feiern.« Paolo lächelte sein typisches Paolo-Lächeln, doch es wirkte unecht. »Aber was wäre der Frühling ohne die Liebe?« Ein Raunen ging durch den Saal. Daniele betrachtete die Gesichter der Umstehenden. Einige von ihnen schienen etwas zu ahnen. »Lasst uns also gemeinsam ein Fest der Liebe feiern.«
Das Raunen wurde stärker. Madison Black und ihre Freundin steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, zwei ältere Herren grinsten abschätzig.
»Und was gehört zu einem Fest der Liebe? Na?« Paolo hob die Brauen und blickte in die Runde.
»Schöne Mädchen!«, rief eine tiefe Männerstimme von hinten.
»Bienen und Blumen!«, ließ sich die Stimme einer älteren Dame vernehmen, die zum Kreis der Contessa gehörte und eine ihrer engsten Freundinnen sein musste. Einige Leute lachten.
Paolo stimmte mit ein. »Das ist richtig, Gina. Sehr gut! Aber vor der Sache mit den Bienen und den Blumen kommt bei anständigen Leuten natürlich die Hochzeit, und davor die …«
»Verlobung!«, rief eine lockige Dunkelhaarige aus, die Daniele vom Sehen kannte.
»Danke, Violetta. Du hast ins Schwarze getroffen.« Paolo applaudierte der Gelockten und räusperte sich. »Da mein lieber Vater verstorben ist und der Vater meiner Auserwählten leider unabkömmlich, bleibt mir nichts anderes übrig, als euch selbst meine Verlobung bekannt zu geben.«
Unabkömmlich? Daniele musste sich verhört haben. Claras Vater war doch ebenfalls tot.
»Freut euch also mit mir über meine Verlobung mit der wunderschönen und einzigartigen …« Paolo legte eine dramatische Pause ein. Im Saal hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Daniele sah sich noch einmal um. Wo verdammt hatte Clara sich versteckt?
»… Madison Black.«
Danieles Bowleglas fiel zu Boden und zerbrach. Das Klirren ging in den Jubelrufen und im Applaus unter.
Madison stürmte das Podium und warf sich in Paolos Arme. Der zauberte eine kleine Schatulle aus der Tasche seines Fracks hervor und fummelte einen Ring heraus, den er Madison an den Finger steckte. Doch das funkelnde Schmuckstück war zu groß für den Ringfinger der Amerikanerin. Paolo musste es ihr über den Mittelfinger stülpen. Wieder spielten die Musiker einen Tusch, und das liebende Paar küsste sich.
Daniele bemerkte, dass sein Mund offen stand. Was um alles in der Welt ging hier ab? Wie war dieser Sinneswandel möglich? Hatte Clara kalte Füße bekommen? Hatte sie die Verlobung platzen lassen? Aber warum hatte Paolo die Feier nicht einfach abgesagt oder es beim angekündigten Frühlingsfest belassen, anstatt auf eine seiner abgelegten Geliebten zurückzugreifen wie auf einen Notnagel?
Während Paolo und Madison sich unter den Beifallsbekundungen und anzüglichen Ausrufen der Festgäste noch einmal küssten, scannte Daniele den Raum. Sein Blick blieb am erstaunten Gesicht der Contessa hängen. Er war also nicht der Einzige, den die Entwicklung der Dinge überraschte. Der Großteil der Gäste hatte von Paolos Beziehung zu Clara nichts mitbekommen und schien eher über die Tatsache verwundert, dass dieser Lebemann von einem Grafen endlich beschlossen hatte, den Hafen der Ehe anzusteuern, als darüber, dass Madison Black die Glückliche war. Paolos Mutter hatte dagegen Bescheid gewusst und ganz offensichtlich mit einer anderen Schwiegertochter gerechnet. Nach dem ersten Schreck manifestierte sich pure Freude im Gesicht der Contessa. Daniele hatte diese eisige Person noch nie so herzlich lächeln sehen. Stolz blickte sie um sich und ließ sich von den Umstehenden gratulieren.
Daniele starrte kopfschüttelnd auf das Podium. Langsam sickerte die Botschaft in sein Gehirn.
Clara und Paolo waren kein Paar mehr.
Paolo würde Madison heiraten.
Clara war frei.
Etwas in ihm wollte sich freuen. Die Frau, die ihn bis in seine Träume verfolgte, war nicht mehr mit seinem besten Freund liiert. Endlich durfte er zu seinen Gefühlen für sie stehen, durfte offen auf sie zugehen und ihr sagen, wie es um ihn stand. Wenn ihn nicht alles täuschte, war ihr der Kuss am Flughafen nicht egal gewesen. Zumindest hatte sie ihn erwidert. Vielleicht hatte er sie nicht so aufgewühlt wie ihn, nein, wahrscheinlich hatte er das nicht. Er könnte jedoch ein Auslöser
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