Entscheidung auf Mallorca
hofften, daß vielleicht nur ein Motorschaden … Muß aber wohl doch was passiert sein.«
Wulf konnte sich kaum noch aufrecht halten. Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Seine Hand tastete zu Peggy hinüber.
Sie ergriff seinen Arm. Gerade noch zur rechten Zeit. Denn schon im nächsten Moment verlor er die Besinnung.
Als er wieder zu sich kam, lag er auf einer Bank. Um ihn herum standen Menschen. Im Nacken fühlte er ein feuchtes Tuch.
Peggy sah ihn besorgt an und strich über sein Gesicht.
Er versuchte, sich zu erheben.
»Bleib liegen«, sagte sie. »Ich hab’ ein Taxi rufen lassen. Es muß gleich da sein.«
Wulf nickte.
Peggy atmete auf. Erleichtert fühlte sie sich aber erst, als sie im Taxi saßen und nach Palma fuhren. Sie ahnte, daß Wulf erneut den Wunsch hatte, zur Polizei zu gehen, und daß er es tun würde, wenn sie nicht bei ihm wäre.
Es war aber nur ein Pyrrhus-Sieg, den sie errang. Denn sie kehrte mit einem an Leib und Seele zerschlagenen Menschen nach München zurück.
Zwei Tage waren sie unterwegs gewesen, zwei Tage, die Peggy so zusetzten, daß sie glücklich war, als Wulf bei der Einfahrt in den Bahnhof den Vorschlag machte, sich gleich zu trennen. Das Zusammensein mit ihm war ihr unerträglich geworden. Während der ganzen Fahrt hatte er kaum gesprochen und unentwegt mit ausdruckslosem Gesicht vor sich hin gestarrt.
»Hast recht«, antwortete sie und wies auf das Fenster des Abteils, gegen das dicke Regentropfen schlugen. »Bei dem Wetter kann man nur machen, daß man nach Hause kommt.«
Wulf blickte nach draußen. Naßschwarze Masten jagten vorbei. Bäume bogen sich im Wind. Wir sind wieder in Deutschland, dachte er. Wolken, Wind und Regen.
»Und wann wollen wir uns treffen?« fragte Peggy.
Er zögerte. »Lassen wir zunächst einmal ein paar Tage verstreichen. Jeder hat jetzt genügend mit sich selbst zu tun.«
»Einverstanden«, sagte sie. »Heute ist Freitag. Sagen wir Dienstag?«
Wulf nickte.
»Im Studenten-Café?«
»Dort nicht«, erwiderte er hastig.
»Im ›Hanhof‹?«
Er schüttelte den Kopf.
»Hast du Angst vor Miriam und Harald?«
»Das nicht. Ich möchte nur … Treffen wir uns im ›Annast‹. Wenn’s geht, draußen.«
»Um wieviel Uhr?«
»Vielleicht um sechs?«
»Gut.«
Bald darauf verabschiedeten sie sich in der zugigen Halle des erst zur Hälfte wiederaufgebauten Hauptbahnhofes.
»Schlaf dich gründlich aus«, sagte Peggy. »Du wirst sehen, das wird dir guttun.«
»Hoffentlich«, erwiderte er. Und dachte: Als Glücklicher fuhr ich los, als Flüchtender verließ ich Mallorca, als Ausgestoßener kehre ich zurück. Weder das »Studenten-Café« noch den »Hahnhof« kann ich aufsuchen. Hätte ich doch auf Miriam gehört!
Peggy reichte ihm die Hand.
Er gab ihr fünf Mark. »Das ist die Hälfte vom übriggebliebenen Rest. Leisten wir uns bei dem Sauwetter ein Taxi.«
Sie lachte. »So gefällst du mir schon besser. Mach’s gut, Wulf.«
»Du auch.« Er schlug den Mantelkragen hoch und trat ins Freie. Regenböen klatschten auf den Asphalt. Er beachtete sie nicht und lief zu den wartenden Wagen hinüber.
Seine Gedanken weilten bei Miriam, an die er schon während der ganzen Bahnfahrt hatte denken müssen. Immer wieder hatte er sich das erste Treffen mit ihr vorgestellt. Ihm graute davor. Er kannte sich selbst zu genau und wußte, daß er ihr alles verschweigen würde. Auch, daß Peggy und er …
Die nächsten Stunden wurden Wulf zur Qual. Dies in erhöhtem Maße, da seine Wirtin ihn bestürmte, doch gleich zu erzählen, wie die Ferien verlaufen seien. Darüber hinaus wünschte sie zu wissen, worauf er Appetit habe. Sie würde ihm noch schnell alles besorgen. Er könne natürlich auch bei ihr essen. Sie hätte zufällig ein herrliches Stück Fleisch zu Hause, das sie ihm gerne zubereiten würde. Mit einer schönen Soße. Wenn es ihm aber lieber wäre, könne er selbstverständlich auch Aufschnitt haben. Sie hätte gerade …
Wulf war der Verzweiflung nahe. Er bat sie, ihn allein zu lassen, und als er es endlich war, fluchte er über sein möbliertes Zimmer. Er konnte die Bude nicht mehr sehen. Das altmodische Bett, den wackeligen Tisch, die windschiefe Stehlampe, die geflickten Vorhänge, den idiotisch hohen Kachelofen, die kitschigen Bilder und den weißgestrichenen Kleiderschrank, dessen Tür immer noch quietscht, obwohl er seine Angeln schon tausendmal geölt hatte. Er mußte raus, mußte noch ein Bier trinken.
Wulf wußte, daß er sich belog, daß er
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