Entscheidung aus Liebe
liebsten ein fröhliches Lied, nichts zu Schweres. Meine Gedanken sind heute schon melancholisch genug."
„Ich glaube, ich habe etwas für Sie", sagte sie. Ihre eleganten Finger bewegten sich über die Tasten und entlockten ihnen eine schwungvolle kleine Melodie, die ihn zum Lächeln brachte.
Sie dagegen lächelte nicht, sondern schloss hingebungsvoll die Augen und neigte den Kopf etwas zur Seite. Wie schon bei ihrer Gesangsdarbietung schien sie in diesem Moment die Fassade fallen zu lassen, mit der sie sich gewöhnlich umgab.
Die Musik war ergreifend. Als Helena das Lied beendete, senkte sie einen Moment lang den Kopf. Sie schien sich sammeln zu müssen, bevor wieder der gewohnte heitere Ausdruck
auf ihrem Gesicht war. Langsam hob sie den Blick und sah ihm in die Augen.
Was lag hinter ihrem sorgfältig beherrschten Benehmen? Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er wahrscheinlich niemals dahinter kommen würde. Sie war zu sehr von ihrer strengen Erziehung geprägt, um jemals ihren wahren Gefühlen zu folgen. Sie besaß dieselbe unerreichbare Schönheit wie die Sterne, die er so oft beobachtete.
„Das war atemberaubend", sagte er leise.
Sie erhob sich mit einem höflichen Lächeln. „Haben auch Sie irgendein Steckenpferd, Euer Gnaden?"
Er zögerte, unsicher, ob er sich ihr anvertrauen konnte. „Ja, in der Tat", sagte er schließlich. „Die Astronomie ist meine Leidenschaft."
„Sie beobachten also die Sterne", entgegnete sie, ohne wirkliches Interesse zu zeigen.
„Ja. Ich werde es niemals müde, all die verschiedenen Himmelskörper und Konstellationen zu studieren. Es ist faszinierend, wie sich der Himmel ständig verändert und trotzdem alles wiederkehrt, so wie die Jahreszeiten. Außerdem hat es in letzter Zeit viele neue Entdeckungen gegeben. Neulich las ich in dem Artikel eines bekannten Astronomen, dass bald ein Komet am nordwestlichen Himmel sichtbar sein wird. Ich habe ein spezielles Teleskop bestellt, um dieses Ereignis nicht zu verpassen."
„Wie interessant. Ich hörte, dass Seeleute oft nur einen Blick auf die Sterne werfen müssen, um die Himmelsrichtung zu bestimmen. "
Es war keine unpassende Bemerkung. Trotzdem zeigten ihm ihre Worte, dass sie nicht wirklich verstanden hatte, was ihn an den Sternen so sehr faszinierte. Er hatte von den Wundern, der Schönheit des Nachthimmels gesprochen, nicht von dem bloßen Nutzen der Sternenkunde.
„Ja, das ist wahr", antwortete er daher nur höflich.
Als sie sich schließlich wieder seiner Mutter und Lady Rathford anschlossen, warf ihm die Duchess einen prüfenden Blick zu. Gleichzeitig senkte sie kaum merklich den Kopf, um ihm ihre Zustimmung zu bekunden.
Während des restlichen Nachmittags spielten sie eine Runde Whist. Helena war eine exzellente Spielerin, vermied es jedoch geschickt, zu gewinnen. Obgleich ihn Kartenspiele langweilten,
beobachtete er interessiert, wie Helena unauffällig die anderen Spieler gewinnen ließ. Seine Mutter konnte nur schwer ihr Lächeln verbergen. Natürlich, Helena verkörperte alles, was die Gesellschaft von einer Dame erwartete. Lady Rathford hatte sich zweifellos große Mühe mit ihrer Erziehung gegeben.
Auf dem Heimweg äußerte die Dowager Duchess, sie habe einen ihrer Migräneanfälle. Dann schloss sie die Augen und schwieg, wofür Jareth außerordentlich dankbar war. Es verschaffte ihm die Zeit, die er zum Nachdenken benötigte.
Es war bereits dunkel, als sie Strathmere erreichten. Jareth stieg aus der Kutsche und sah zum sternenbedeckten Himmel hinauf.
Den Abend würde er im Garten verbringen, den süßen Duft der Blumen einatmen und die Sterne beobachten. Und er würde versuchen, sich davon zu überzeugen, dass der Weg, den er eingeschlagen hatte, der richtige war.
Vielleicht würde er sich aber auch nur in der Schönheit der Sterne verlieren und alles andere auf später verschieben.
6. KAPITEL
„Euer Gnaden, dürfte ich mit Ihnen sprechen?"
Jareth blickte von seinen Geschäftsbüchern auf und sah Miss Pesserat, die an der Tür stand. Mit ihrem ordentlich zurückgekämmten Haar wirkte sie sehr ... ansprechend, stellte er fest. Ihm fiel auf, wie makellos ihre Haut war. Ihre Wangen waren von einer leichten, natürlichen Röte überzogen, die ihr ein frisches Aussehen verliehen. Bemerkenswert, dachte er, während er sich zurücklehnte und sie offen betrachtete. Ihr Kleid war sogar sauber und kaum verknittert.
„Kommen Sie doch herein, Miss Pesserat." Er hielt inne und lächelte. „Miss Chloe,
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