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Entscheidung aus Liebe

Titel: Entscheidung aus Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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sich in Jareth breit. Als Junge hatte er nicht verstanden, was um ihn herum vorging. Aber nun, als erwachsener Mann und Duke, der die ganze Verantwortung seines Amtes wahrnahm, verstand er, welche Last auf Charles' kindlichen Schultern geruht hatte. Jetzt erst konnte er den Schmerz seines Bruders verstehen.
    Denn er war zu seinem eigenen Schmerz geworden.
    Als er sich wieder seiner unentrinnbaren Situation bewusst wurde, verschwanden die Schatten der Vergangenheit, und er spürte die Kühle der Nachtluft auf seiner Haut.
    Er stellte fest, dass er leicht zitterte. Im Dunkeln tastete er nach der Bank, die sich irgendwo in seiner Nähe befinden musste. Als er sie gefunden hatte, sank er erschöpft darauf nieder.
    Nach einigen tiefen Atemzügen, um seinen Kopf wieder klar zu bekommen, blickte er zum Haus hinüber. Der Salon war noch immer beleuchtet. Offenbar hatte sich seine Mutter noch nicht zurückgezogen. Im oberen Stockwerk brannte eine Kerze hinter dem Fenster des Spielzimmers. Wie oft hatte er in seiner Kindheit traurig aus dem Fenster gesehen, wenn er nicht in den Garten gehen durfte!
    Er dachte an Chloe. Es war merkwürdig, aber er wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als sie zu sehen. Und wenn sie nur kurz hinter diesem Fenster erschien, es würde ihm genügen.
    Warum ihm dieser Gedanke gerade jetzt kam, war unverständlich. Aber er stellte sich diese Frage nicht weiter, sondern beobachtete einfach sehnsüchtig das Fenster. Nach einer Stunde gab er auf und verspürte immer noch dieses seltsame Verlangen, während er zum Haus zurückkehrte.
    Es war eine einsame Nacht.

10. KAPITEL
    Mit Geralds Ankunft kündeten sich auch die ersten kalten Regenschauer des Winters an. Als er in Strathmere eintraf, beschwerte er sich lautstark über das unerfreuliche
    Wetter. Er stand in der Empfangshalle, übergab dem Butler seinen nassen Übermantel und streifte den Schlamm von seinen Stiefeln ab.
    Die Dowager Duchess brachte ihn eilig in die Bibliothek, obwohl bereits ein Feuer im Kamin des Salons brannte. Sie versicherte Gerald, dass es dort wesentlich bequemer sei. Zunächst war Jareth verwirrt von ihrem ungewöhnlichen Verhalten. Normalerweise wurden Besucher in den Salon geführt, wenn sie eintrafen. Doch dann sah er Geralds schmutzige Stiefel auf dem alten, abgelaufenen Teppich der Bibliothek, der ohnehin ersetzt werden musste. Der wertvolle persische Teppich im Salon dagegen war erst im letzten Jahr angeschafft worden. Jareth kicherte leise über die Wortgewandtheit seiner Mutter, während er ein Glas Brandy für seinen Cousin einschenkte.
    „Alle reisen nach Italien und Frankreich", beschwerte sich Gerald, der seinen Stuhl näher zum Kamin rückte. „Ich habe keine Ahnung, was ich zu dieser Jahreszeit ausgerechnet im Norden Englands zu suchen habe."
    Die Duchess lächelte. „Du bist hier, weil du so selbstlos bist, Gerald. Du hast daran gedacht, wie sehr wir dich vermissen. Deshalb hast du dir die Freuden verweigert, die sich weniger rücksichtsvolle Menschen gönnen."
    Gerald grinste. „Du schmeichelst mir, Tante Charlotte. Aber so sehr ich es bedaure, ich muss deine hohe Meinung von mir zerstören. Es war vollkommen selbstsüchtig von mir, hierher zu kommen und meine Lieblingstante zu besuchen."
    Jareth wandte sich ebenfalls seinem Cousin zu.
    Gerald hatte sich verändert. Seine Leibesfülle hatte über die Jahre zugenommen, und sein ungesund rotes Gesicht war das
    eines Mannes, der dem Alkohol verfallen war. Seine Falten und die Ringe unter seinen Augen sprachen von zu vielen durchzechten Nächten. Der allzu dekadente Lebensstil der Londoner Gesellschaft bekam ihm nicht.
    Wann immer Jareth nach London reiste, arrangierte er ein Dinner mit seinem Cousin, aber im Laufe der Zeit hatten sie beide immer unterschiedlichere Interessen entwickelt. Schließlich waren die gegenseitigen Besuche sehr selten geworden, was wahrscheinlich für beide von ihnen eine Erleichterung dargestellt hatte.
    Doch seine Mutter weilte in Gedanken noch immer in seiner Jugend, als er und Gerald gute Freunde gewesen waren. „Wir schätzen deine Besuche sehr", sagte sie zu ihrem Neffen. „Nicht wahr, Strathmere?"
    „In der Tat", bemerkte Jareth ohne große Begeisterung.
    „Strathmere. Es hört sich seltsam an, dich so zu nennen." Gerald betrachtete mit verlorenem Blick den Brandy in seinem Glas.
    Jareth sah ihn scharf an, doch Gerald wich seinem Blick aus und starrte weiterhin in sein Glas.
    „Man gewöhnt sich mit der Zeit daran",

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