Entscheidung aus Liebe
bewegen, als gehöre sie dorthin -wie eine Waldnymphe, die anmutig unter den Bäumen wandelte. Doch er bezweifelte, dass selbst sie die eisige Kälte dieser Winternacht lange ertragen würde. Sicher würde sie bald zu Bett gehen. Er beschloss, in dem großen Schaukelstuhl auf sie zu warten.
Als er sich umblickte, stellte er fest, dass er diesen Raum mochte. Die Geister der Vergangenheit, die Erinnerungen an Charles und ihn selbst peinigten ihn nicht länger, wenn er sein früheres Spielzimmer betrat. Nun sah er nur noch, was im Augenblick existierte. Dieses Zimmer gehörte zwei kleinen Mädchen, denen er heute unbeabsichtigt großen Kummer bereitet hatte. Seine geliebten, kostbaren kleinen Mädchen, die so großes Leid hatten ertragen müssen. Er musste seine Schuld unbedingt wieder gutmachen.
Was hatte ihn dazu veranlasst, Chloes Bedenken als übertrieben zu bezeichnen? Sie hatte ihn eindringlich davor gewarnt, die Kinder in der Ponykutsche fahren zu lassen. Hatte er aus falschem Stolz derart unbedacht gehandelt? Nein, dieser Gedanke behagte ihm nicht im Geringsten. Wenn es sich so verhielt, dann war er nicht besser als seine Mutter, deren kalte, gefühllose Arroganz er schon immer verabscheut hatte.
Er erinnerte sich daran, wie gedankenverloren er während des ganzen Dinners gewesen war. Der Mann mit dem Ring. Seine Diener hatten ihn nicht mehr finden können, obwohl sie stundenlang nach ihm gesucht hatten. Was hatte der Fremde gewollt, und war er es gewesen, der ihn in jener Nacht im Garten niedergeschlagen hatte?
Diese Fragen hatten seinen Geist beschäftigt, als Chloe wegen des geplanten Ausfluges mit ihm sprach. Er hatte ihr nicht einmal richtig zugehört, was sich heute als schwerer Fehler herausgestellt hatte. Nein, er musste sich bei Chloe entschuldigen und einen Weg finden, dass sie und die Kinder ihm diesen Irrtum verziehen. Er würde nicht eher ruhen, bis diese Angelegenheit bereinigt war.
Der Schaukelstuhl war äußerst bequem. Er lehnte sich zurück, schaukelte ein wenig und senkte den Kopf auf die Brust. Was konnte es schon schaden, wenn er nur für einen kurzen Moment die Augen schloss? Sicher würde Chloe bald zurückkommen. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als er von schrillen Schreien geweckt wurde. Nachdem er mit halb geöffneten Augen aufgesprungen war, sah er sich verwirrt um. Dann sah er eine kleine Gestalt in einem weißen Nachthemd, die durch das Spielzimmer rannte und lautstark weinte.
Natürlich. Rebeccahs nächtliche Albträume.
Jareth eilte zur Tür und streckte den Kopf heraus, ohne seine aufgebrachte Nichte aus den Augen zu lassen. Er holte tief Luft, dann rief er nach dem einzigen Menschen, der ihm helfen konnte.
„Chloe!"
Die Luft war so kalt, dass Chloe schon vor langem in das Haus zurückkehren wollte. Dennoch blieb sie im Garten, bis ihre Hände, Füße und ihre Nase so kalt waren, dass sie diese Körperteile kaum noch spürte.
Im Haus war es warm, doch das Spielzimmer war ihr heute Nacht unglaublich einsam und traurig vorgekommen. In den übrigen Räumen des Anwesens war kein Platz für sie. Dort war sie ebenso fremd wie in diesem kalten, unfreundlichen Land, das sich so sehr vom Loiretal mit seinen milden Wintern und warmen Sommern unterschied. Außerdem waren ihre Gedanken so beschäftigt, dass sie die Kälte in ihren Gliedern kaum bemerkte.
Ein weiterer Brief von Papa war eingetroffen, in dem er bereits offen über seine Zuneigung zu Madame Duvier sprach. Chloe seufzte. Sie freute sich für Papa, der offenbar ernsthaft verliebt war. Und sie dachte an Mary und an Daniel, der mit seinem romantischen Antrag zu ihrer Rettung geeilt war.
Überall um sie herum gab es Liebe, nur nicht für sie.
Es war nicht leicht, dieses traurige Schicksal zu akzeptieren. Vor einigen Tagen war sie außerdem zu einer Erkenntnis gekommen, die ihr Leben noch mehr komplizierte. Sie liebte Jareth Hunt.
Chloe wollte nicht, dass es Liebe war. Warum konnte es nicht nur eine Schwärmerei sein, eine tiefe Freundschaft oder sogar
ein rein körperliches Verlangen? All dies hätte sie ertragen können, aber Liebe ... Wenn es wirklich Liebe war, dann war sie verloren.
Wie aus weiter Ferne hörte sie ein schwaches Geräusch. Chloe lauschte für einen Moment, doch sie schien es sich nur eingebildet zu haben. Schließlich setzte sie den Weg durch ihren Garten fort.
Der Duke hatte den Kurs bereits gewählt, den sein Leben in Zukunft ansteuern würde. Gewiss, er hatte zugegeben, dass er
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